Kardinal Lehmann warnt vor Machbarkeitswahn

Düsseldorf – Zur Natürlichkeit des Menschen gehöre auch die natürliche Unvollkommenheit, sagt Karl Kardinal Lehmann. Auf einer Veranstaltung zum Gedenken an den vor zwei Jahren verstorbenen Präsidenten der Bundesärztekammer, Jörg-Dietrich Hoppe, gestern in der Ärztekammer Nordrhein warnte der Bischof von Mainz und langjährige Vorsitzende der Deutschen Bischofskonferenz vor einem Machbarkeitswahn.
„Krankheit bringen wir heute häufig mit regressiver Fremdbestimmung in Zusammenhang. Wer krank ist, fühlt sich in seiner Autonomie eingeschränkt,“ so Lehmann. Doch nicht Gesundheit, sondern das Leben sei das höchste Gut des Menschen. Lehmann vertritt die Auffassung, dass die Spannung zwischen dem technisch Machbaren und dem sittlich Erforderlichen oft nicht wahrgenommen werde. Die Machbarkeit werde schließlich als Wert an sich angesehen, kritisierte er.
Obwohl eine unendliche Verlängerung des Lebens nicht möglich sei, orientiere man sich häufig dennoch an einem auf Unendlichkeit angelegten Leben. Deshalb würde man beispielsweise durch Neuroenhancement versuchen, menschliche Eigenschaften bei Gesunden über das normale Maß hinaus zu steigern.
„Doch zur Natürlichkeit des Menschen gehört auch seine natürliche Unvollkommenheit“, mahnt der Mainzer Bischof. Und beim Enhancement ginge es schließlich nicht nur um eine Verbesserung von Eigenschaften, sondern damit werde in vielen Fällen auch eine neue Identität angenommen.
Der Mensch sei ein Wesen der Transzendenz, das immer auf der Suche nach dem Glück sei. Doch die Erfahrung der Befriedigung schaffe stets neue Wünsche. Eine Erfüllung gebe es nur im Glück des Augenblicks. Die wirkliche Glücksverheißung ist dagegen Lehmann zufolge jenseitig. Der christliche Glaube rate dem Menschen, das irdische Leben anzunehmen, ohne ihm zu verfallen.
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