Kardiovaskuläre Prävention: Allgemeinmediziner weisen auf nicht medikamentöse Therapien hin

Berlin – Im Rahmen der kardiovaskulären Prävention haben nicht medikamentöse Maßnahmen Vorrang – diese und gegebenenfalls zusätzliche Medikamentenverordnungen sind mit Betroffenen nach Aufklärung gemeinsam abzuwägen und abzustimmen. Darauf weist die Deutsche Gesellschaft für Allgemeinmedizin nach einem Beschluss des Gemeinsamen Bundesausschuss (G-BA) hin.
Dieser hatte gestern beschlossen, dass Statine und andere Lipidsenker früher verordnet werden dürfen. Bislang lag die Verordnungsschwelle bei einem Risiko für ein kardiovaskuläres Ereignis von mindestens 20 Prozent in den nächsten zehn Jahren. Nach dem Beschluss liegt die Schwelle nun bei zehn Prozent. Das Deutsche Ärzteblatt hatte berichtet.
Die DEGAM wertet die Entscheidung positiv, erklärt aber die Wichtigkeit der nicht medikamentösen Prävention und betont: „Der G-BA und die DEGAM weisen mit Nachdruck darauf hin, dass die Beschlüsse nur Therapieoptionen darstellen und die eigentlichen Behandlungsempfehlungen durch evidenzbasierte Leitlinien erfolgen müssen“.
Die DEGAM-Leitlinie ist zurzeit in Überarbeitung – 2025 soll die überarbeitete Version erscheinen. Sowohl die DEGAM als auch die deutsche Gesellschaft für Kardiologie (DGK) erklären in ihren aktuellen Leitlinien, die Wichtigkeit von nicht medikamentösen Maßnahmen in der Primärprävention.
Auch der G-BA-Vorsitzende Josef Hecken stellte Lebensstil- und Verhaltensänderungen bei der gestrigen Sitzung in den Vordergrund. Wenn Maßnahmen wie Rauchstopp, gesunde Ernährung und Bewegung nicht funktionierten, könne man Statine anwenden, so Hecken.
In der Debatte um das Gesunde-Herz-Gesetz, das nach dem Ende der Ampelkoalition nicht mehr weiter verfolgt wird, hatte es eine große Auseinandersetzung zwischen den Fachgesellschaften über die Grenzwerte gegeben.
Auch die Krankenkassen hatten die Überlegungen deutlich kritisiert und suchten den Schulterschluss beispielsweise mit der DEGAM. Deren Präsident, Martin Scherer, kündigte gar bei der Verwaltungsratssitzung des GKV-Spitzenverbandes im August eine Verfassungsbeschwerde gegen das Gesetz an.
Die Allgemeinmediziner weisen dabei auf eine fehlende Evidenz der Statintherapie für Patienten ab 75 Jahren und unter 40 Jahren hin. Auch in der DGK-Leitlinie ist eine mögliche Empfehlung zur Statintherapie in diesem Alter nur für Personen mit hohem oder sehr hohem kardiovaskulärem Risiko vorgesehen.
Die DEGAM schätzt, dass die Patientenanzahl, die nach G-BA-Beschluss für einen Lipidsenker infrage kommt, bei den 30 bis 90-Jährigen von 9,4 auf 25 Millionen Personen steigen könnte. Die Fachgesellschaft berechnet dabei einen möglichen Kostenanstieg von maximal 2,5 Milliarden Euro, wenn man nur Statine und Ezetemib betrachten würden.
Hinzu komme ein Mehraufwand hausärztlicher Arbeitsbelastung mit „bis zu 200 bis 300 zusätzliche Dauerpatienten“. Die Frage, wie die Personen mit einem kardiovaskulären Risiko von zehn bis 20 Prozent bislang hausärztlich betreut worden sind, bleibt in dieser Berechnung allerdings offen.
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