KBV: Öffnung der Krankenhäuser ungeeignet, um Versorgungslücken zu schließen

Berlin – Über aktuelle gesundheitspolitische Herausforderungen hat gestern der Vorstandsvorsitzende der Kassenärztlichen Bundesvereinigung (KBV), Andreas Gassen, mit Politikern aus Regierung und Opposition diskutiert. Auf der KBV-Versorgungsmesse lobte Gassen zunächst das im Koalitionsvertrag abgegebene Bekenntnis von Union und SPD zur Freiberuflichkeit niedergelassener Ärzte und Psychotherapeuten. Auch die Bedeutung des Themas Qualität hob er hervor: „Der Qualität widmen sich die Ärzte qua Beruf Tag für Tag. Trotzdem finden wir es positiv, dass die Politik uns hier unterstützen möchte.“
Im Koalitionsvertrag gebe es jedoch auch Aspekte, die die KBV kritisch sehe, zum Beispiel die generelle Öffnung von Krankenhäusern für ambulante Leistungen. Konkret heißt es dazu: „Die Möglichkeit zur Zulassung von Krankenhäusern zur ambulanten Versorgung in unterversorgten Gebieten wird verbessert. Dazu wird bei der Ermächtigung in § 116 a SGB V das Wort ‚kann‘ durch ‚muss‘ ersetzt und eine jährliche verbindliche Überprüfung eingeführt.“
Demnach soll der Zulassungsausschuss künftig Krankenhäuser für das entsprechende Fachgebiet in unterversorgten Planungsbereichen auf deren Antrag hin zur vertragsärztlichen Versorgung ermächtigen müssen, soweit und solange dies zur Beseitigung der Unterversorgung oder zur Deckung des zusätzlichen lokalen Versorgungsbedarfs erforderlich ist.
„Das ist kein geeignetes Werkzeug, um eventuelle Versorgungslücken zu schließen“, betonte Gassen. „Denn in den Krankenhäusern herrscht auch Nachwuchsmangel.“ Die CDU-Gesundheitspolitikerin Katrin Maag erwiderte: „Das, was wir an Steuerungsmöglichkeiten zur Verfügung gestellt haben, ist nicht so optimal ausgenutzt worden, wie wir uns das vorgestellt haben. Es gibt nach wie vor Unter- und Überversorgung.“ Bekomme man die Unterversorgung nicht anders in den Griff, sei deshalb auch die Öffnung der Krankenhäuser eine Option.
Gassen: Wartezeiten sind ein Komfortproblem
Zum Thema Wartezeiten betonte Maag: „Wir haben ein hohes Vertrauen in die Selbstverwaltung und glauben, dass sie das Wartezeitenproblem regeln kann.“ Dieser Ansicht war auch Gassen: „Ich glaube auch, dass die Selbstverwaltung dieses Problem am allerbesten lösen kann. Servicestellen der Kassenärztlichen Vereinigungen werden das regeln können.“ Gassen warf jedoch die Frage auf, ob es sich bei den Wartezeiten um ein medizinisches oder um ein Komfortproblem handle. „Wenn die Menschen wirklich krank sind, werden sie schon heute schnell versorgt“, sagte er und sprach sich dafür aus, die Ursachen der Problematik zu evaluieren: „Sollte sich herausstellen, dass es sich um ein Komfortproblem handelt, empfinde ich das als unkritisch.“
Besprochen wurde auch die künftige Binnenstruktur der KBV. Im Koalitionsvertrag heißt es dazu: „Die Vertreterversammlungen von Kassenärztlicher Bundesvereinigung und Kassenärztlichen Vereinigungen werden zu gleichen Teilen aus Haus- und Fachärztinnen und -ärzten gebildet. Über rein hausärztliche Belange entscheiden die hausärztlichen Mitglieder der Vertreterversammlung, über rein fachärztliche Belange die fachärztlichen Mitglieder der Vertreterversammlung.“
Die Vorstellung, die die KBV im vergangenen Jahr geliefert habe, sei Anlass dafür gewesen, diesen Passus in den Koalitionsvertrag aufzunehmen, sagte Maag. „Ich habe allerdings kein Interesse daran, eine gut funktionierende Einheit in irgendeiner Form in eine Richtung zu pressen, die nicht notwendig ist. Aber wenn es notwendig ist, sind wir auch davon überzeugt, dass wir das machen müssen.“ Gassen erklärte, er betrachte dies als eine Aufforderung, sich des Themas anzunehmen: „Wir werden es so umsetzen, dass Sie sich freuen, dass Sie das Vertrauen in uns gesetzt haben.“
Gassen: Man kann niemandem mit Geld zwingen, aufs Land zu gehen
Die gesundheitspolitische Sprecherin der Grünenfraktion, Maria Klein-Schmeink, kritisierte in der Runde, dass der Gemeinsame Bundesausschuss darüber befinden solle, wie die Mittel aus dem geplanten Innovationsfonds verteilt würden. „Wir hätten uns gewünscht, dass die Regionen Mittel aus dem Innovationsfonds erhalten, über deren Verwendung sie selbst entscheiden können“, sagte sie. Maag regte an, dass mit den Geldern aus dem Fonds auch Ärztenetze gefördert werden: „Wir wollen die Zusammenarbeit von Freiberuflern. Warum soll man aus dem Innovationsfonds nicht auch die Vernetzung von Ärzten fördern?“
Klein-Schmeink sprach sich dafür aus, die Erfahrungen aus neuen Versorgungsformen in die Regelversorgung zu übernehmen: „In vielen Modellen haben wir jetzt Erfahrungen gesammelt. In vielen Bereichen wissen wir, wie wir es besser machen können. Als Zielvorstellung sollten wir nun überlegen, wie diese Erfahrungen in die reguläre Versorgung eingebunden werden können.“
Auf den Ärztemangel in Deutschland angesprochen, erklärte Gassen: „Das Hauptkriterium, um als Arzt aufs Land zu gehen, ist, dass einer der Eltern Landarzt war. Der Faktor Geld ist da relativ sekundär.“ Man könne jemanden nicht mit Geld dazu zwingen, aufs Land zu gehen. „Versorgungsprobleme sind im Übrigen kein primäres Landproblem“, so der KBV-Vorstandsvorsitzende weiter.
Versorgungsprobleme gebe es ebenso in der Stadt. Problematisch sei es allerdings, vor allem wegen erheblicher Mitversorgereffekte, die bestehende Über- und Unterversorgung zu quantifizieren. „Anreize zu setzen, ist sicherlich ein guter Aspekt“, sagte Gassen. Mit rein planerischen Ansätzen werde man jedoch nicht weiterkommen.
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