Keine Richtgrößenprüfungen mehr in Baden-Württemberg
Stuttgart – Für die niedergelassenen Ärzte in Baden-Württemberg sind die Richtgrößenprüfungen bei Verordnungen abgeschafft. „20 Jahre lang hat die Ärzteschaft diese Forderung erhoben, jetzt wird sie umgesetzt“, sagte der Vorstandsvorsitzende der Kassenärztlichen Vereinigung (KV) Baden-Württemberg, Norbert Metke. Die bisherige Lösung habe bei den Ärzten die Angst vor Regressen geschürt und sich zu einem Hemmschuh für die Niederlassung entwickelt, so der KV-Chef.
Auch die Krankenkassen äußerten sich zustimmend zu der Reform: „Dass wir auf eine wirtschaftliche Verordnung Wert legen müssen, ist klar“, sagte der Vorstandsvorsitzende der AOK Baden-Württemberg, Christopher Hermann. Schließlich verordneten die Ärzte jedes Jahr Arzneimittel mit Kosten in Milliardenhöhe. „Gleichwohl waren wir gerne bereit, die Vorschläge der Ärzteschaft aufzunehmen, wie das System verändert und gerechter gestaltet werden kann. Die jetzt vereinbarte Systematik trägt dem Gebot der Wirtschaftlichkeit Rechnung, und sie verbessert gleichzeitig die Qualität der Versorgung“, so Hermann.
Und so funktioniert das neue System: Künftig erhalten die Ärzten zu Beginn eines Jahres einen sogenannten praxisindividuellen Richtwert zugeteilt, der die praxisindividuelle Morbidität der Patienten einer spezifischen Praxis berücksichtigt. „Je höher der Verordnungsbedarf ist, der sich aus den Erkrankungen der Patienten ergibt, desto höher sind die finanziellen Mittel, die dieser Praxis zur Verfügung stehen“, erläuterte Metke.
Die bisherigen Durchschnittswerte, welche die Vielfalt der Versorgung bekanntlich nicht widergespiegelt haben, sind damit vom Tisch. „Die KV Baden-Württemberg teilt dem Arzt mehrfach innerhalb eines Jahres mit, ob er sich im Rahmen seines Richtwertvolumens befindet, welches sich bei entsprechender Morbidität seiner Praxis mitentwickelt“, versprach Metke.
Für das Jahr 2017 gilt außerdem einmalig ein garantiertes praxisindividuelles Richtwertvolumen, welches dem Arzt auch bei geringerer Morbidität seiner Praxis in jedem Fall zur Verfügung steht.
Auch die übrigen Krankenkassen im Land stehen zu der Vereinbarung: „Der Gesetzgeber hat den Vertragspartnern auf Landesebene die Möglichkeit eröffnet, die Wirtschaftlichkeitsprüfung auf eine andere Basis zu stellen. Wir haben diese Möglichkeit genutzt. Wir können immer wieder feststellen, dass wir auch in schwierigen Fragen sachlich diskutieren und zu einvernehmlichen Lösungen kommen können“, sagte Walter Scheller für die übrigen Krankenkassen. „Die gemeinsame Selbstverwaltung hat einmal mehr gezeigt, wie gut sie funktioniert“, so sein Fazit.
Baden-Württemberg ist nicht das einzige Land, das die Richtgrößenprüfung abschafft: Auch in Niedersachsen wird es diese künftig nicht mehr geben. Das hatte die KV des Bundeslandes im vergangenen Herbst angekündigt. „Die Richtgrößenprüfung wird durch Ziele für eine wirtschaftliche Verordnung ersetzt. Darin sehen wir eine deutliche Erleichterung für die Ärzte“, sagte der stellvertretende Vorsitzender der KV, Jörg Berling, in Hannover.
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