Medizin

Kernspin in der Frühschwangerschaft: Studie bewertet Risiken

  • Mittwoch, 7. September 2016

Toronto – Eine Kernspintomographie in der Frühschwangerschaft hatte in einer bevölkerungsbasierten Studie im US-amerikanischen Ärzteblatt (JAMA 2016; 316: 952-961) keine nachteiligen Folgen für das Kind. Von der Verwendung von gadolinium­haltigen Kontrastmitteln wird jedoch abgeraten.

Röntgen- und CT-Untersuchungen werden wegen der bekannten Risiken von ionisierenden Strahlen auf Embryo oder Fetus in der Schwangerschaft nach Möglichkeit nicht durchgeführt. Ultraschall und Kernspin gelten jedoch als unbedenklich. Beim Kernspin (Magnetresonanztomographie, MRT) sind sich die Experten jedoch nicht sicher.

Zum einen kommt es während der Untersuchung zu einer leichten Erwärmung des Gewebes, zum anderen ist die Lärmbelastung beträchtlich. Noch bedenklicher ist der Einsatz des Kontrastmittels Gadolinium, das bei Erwachsenen mit einer nephrogenen systemischen Fibrose (NSF) in Verbindung gebracht wird, einer krankhaften Vermehrung des Bindegewebes in Haut, Muskulatur und in inneren Organen wie Leber, Herz, Lungen und Zwerchfell.

Trotzdem hat sich das MRT zu einer häufigen Untersuchung in der Schwangerschaft entwickelt. In der kanadischen Provinz Ontario wird in jeder 250. Schwangerschaft ein MRT durchgeführt. Der Anteil der Frühschwangerschaften beträgt 1 zu 1.200, und in einem von 3.000 Fällen wurde das Kontrastmittel Gadolinium eingesetzt. Dies zeigt die Analyse der Gesundheitsdaten aus einem 12-Jahreszeitraum, die Joel Ray vom St. Michael's Hospital in Toronto durchgeführt hat. Der Forscher hat untersucht, ob die Schwangerschaften häufiger in einer Totgeburt endeten oder ob die Kinder häufiger als andere Fehlbildungen aufwiesen. 

Ergebnis: Bei 19 von 1.737 Schwangeren, bei denen im ersten Trimester eine MRT durchgeführt wurde, kam es zu einer Totgeburt. Die Rate war mit 10,9 auf 1.000 Schwangerschaften etwas höher als bei den Frauen ohne MRT, wo 6,9 von 1.000 Schwangerschaften in einer Totgeburt endeten. Ray ermittelt ein relatives Risiko von 1,57 (95-Prozent-Konfidenzintervall 1,00-2,47), das knapp signifikant ist. Nach einer Berücksichtigung von Begleitfaktoren stieg es auf 1,68, war jedoch mit einem 95-Prozent-Konfidenzintervall von 0,97-2,90 nicht mehr signifikant.

Ähnlich sind die Ergebnisse zu Fehlbildungen. Die Rate beträgt nach einem MRT in der Frühschwangerschaft bei 33,8 pro 1.000 Personenjahre. Bei Kindern, deren Mütter kein MRT-Untersuchung hatten, waren es 24,0 pro 1.000 Personenjahre. Die adjustierte Hazard Ratio beträgt 1,16 und war mit einem 95-Prozent-Konfidenzintervall von 0,96 bis 1,40 nicht signifikant. Die Rate der zusätzlichen Fehlbildungen ist 3,8 pro 1.000 Personenjahre. Auch dieser Wert ist nicht signifikant. Weitere Analysen zeigen, dass Neoplasien in den ersten vier Lebensjahren oder Sehverluste nicht häufiger auftraten, wenn bei den Müttern in der Frühschwangerschaft ein MRT durchgeführt wurde.

Da alle Risiken nicht signifikant waren, geht Ray davon aus, dass eine MRT in der Frühschwangerschaft kein erhöhtes Risiko für das Kind bedeutet. Anders könnte die Situation beim Einsatz des Kontrastmittels Gadolinium sein. Hier kam es zu sieben Totgeburten, was einer Häufigkeit von 17,6 pro 1.000 Kinder entspricht. Sie ist deutlich höher als nach Schwangerschaften ohne MRT (6,9/1.000 Kinder): Ray ermittelt ein adjustiertes relatives Risiko von 3,70, das trotz eines weiten 95-Prozent-Konfidenz­intervalls (1,55-8,85) signifikant war.

Hinzu kam noch die erhöhte Rate von rheumatologischen, entzündlichen oder infiltrativen Hauterkrankungen, unter denen sich eine NSF verbergen kann. Ray rät auf die Anwendung von Gadolinium bei einem MRT in der Frühschwangerschaft nach Möglichkeit zu verzichten. Auch bei einem normalem MRT ohne Gadolinium besteht Anlass, die Indikation kritisch zu prüfen, da die Studie seltene Komplikationen nicht ausschließen kann.

rme

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