Keuchhusten: Bakterien-Gene weichen dem Impfstoff aus
Bath – Der Ersatz des Ganzkeim-Impfstoffs durch die azelluläre Vakzine hat zwar die Verträglichkeit der Keuchhusten-Impfung verbessert. Die geringere Bandbreite der induzierten Antikörper scheint es dem Erreger jedoch zu ermöglichen, sich durch genetische Varianten dem Zugriff des Immunsystems zu entziehen, wie ein Genvergleich an Bordetella pertussis-Isolaten seit den 1920er Jahren im Journal of Infectious Diseases (2014 doi: 10.1093/infdis/jiu665) zeigt.
In Großbritannien ist es 2012 zu einer der schlimmsten Keuchhusten-Epidemien seit Einführung der Impfung gekommen. In England und Wales erkrankten (durch Laboruntersuchungen bestätigt) insgesamt 9.711 Personen. Es kam zu 14 Todesfällen bei Kindern unter 3 Monaten. Bei der Epidemie im Jahr 2008 waren nur 902 gesicherte Fälle aufgetreten, obwohl sich weder Impfquote noch Diagnoseverfahren während dieser Zeit verändert haben.
Schon seit längerem wird vermutet, dass die azelluläre Vakzine nicht die gleiche Effektivität hat wie der Ganzkeim-Impfstoff. Dies ist immunologisch plausibel, da ein komplettes Bakterium eine größere Bandbreite von Antikörpern induziert als die azelluläre Vakzine, die aus ausgewählten Protein-Antigenen besteht: Dies sind das Pertussistoxin (Ptx), das filamentöse Hämagglutinin (FHA), Pertactin (PRN) und die Fimbrien-Typen 2 und 3 (FIM2/FIM3).
Ein Team um Andrew Preston von der Universität Bath hat jetzt untersucht, ob die Beschränkung des Impfstoffs auf wenige Antigene zu genetischen Ausweichmanövern des Erregers geführt hat. Dem Team standen hundert B. pertussis-Isolate aus der Zeit seit den 1920er Jahren zur Verfügung. Die Untersuchung umfasst die Ära vor Einführung der ersten Impfstoffe (1920-1956), die Ganzkeim-Impfstoff-Ära (1957-2000) sowie die Zeit seit Einführung der azellulären Vakzinen.
Die Untersuchung ergab, dass es in den letzten Jahren tatsächlich zu einer Zunahme von Mutationen (SNP) in jenen Genen des Bakteriums gekommen ist, die jene Proteine kodieren, die auch in der azellulären Vakzine enthalten sind. Die Zunahme begann allerdings bereits vor Einführung der azellulären Vakzine, wofür Preston keine Erklärung hat.
Die meisten in England und Wales derzeit zirkulierenden Keuchhusten-Erreger gehören zum Stamm ptxP3. Er unterscheidet sich vom früher zirkulierenden Stamm ptxP1 nur durch 22 SNP. Einige dieser SNP – vielleicht auch eine spezifische Kombination von ihnen – könnte für die erhöhte Virulenz der derzeit zirkulierenden Erreger verantwortlich sein, spekuliert Preston.
Er befürchtet, dass die Evolution des Erregers weiter voranschreiten und die azelluläre Vakzine weiter an Schutzwirkung verlieren wird. Ob diese Vermutung zutrifft, könnte sich in der nächsten Keuchhusten-Epidemie zeigen, die für die nächsten Jahre, vielleicht auch schon schon 2015, erwartet wird.
Die britischen Forscher beobachten die genetische Evolution des Keuchhusten-Erregers bereits seit einiger Zeit. Im Frühjahr hatte eine Gruppe um Julian Parkhill vom Sanger Institute in Hixton bei Cambridge in mBio (2014; 5; e01074) einen Stammbaum des Erregers vorgestellt. Dabei war unter anderem herausgekommen, dass der Erreger wohl erst seit dem Mittelalter Epidemien beim Menschen auslöst.
Auch über Strategien zur Verbesserung der Impfstoffwirkung wird nachgedacht. Einige Experten erwarten, dass langfristig die Zusammensetzung des Impfstoffs an die veränderten Bakterien angepasst werden muss. Kurzfristig wird Erwachsenen empfohlen, den Impfschutz gegen Pertussis regelmäßig zu erneuern. Laut dem Robert Koch-Institut sollte jede Auffrischimpfung gegen Tetanus (auch im Verletzungsfall) Anlass sein, einen pertussishaltigen Kombinationsimpfstoff zu erwägen.
Einige Länder (England und Wales, USA) raten mittlerweile allen Schwangeren zur Auffrischung, um die Kinder in den ersten Lebensmonaten zu schützen, in denen ein Keuchhusten lebensgefährlich ist. Andere Länder (Schweiz, Australien) empfehlen die Impfung nur für Frauen, die vor der Schwangerschaft nicht geimpft wurden.
In Deutschland wird derzeit nicht zur routinemäßigen Impfung von Schwangeren geraten. Die STIKO diskutiert jedoch derzeit eine Änderung der Empfehlungen. Anlass sind unter anderem die Ergebnisse einer im Mai im amerikanischen Ärzteblatt (JAMA 2014; 311: 1760-1769) veröffentlichten Studie. Dort kam heraus, dass die Impfung (im Rahmen der Tdap-Immunisierung) für den Feten sicher ist und die Kinder bei der Geburt protektive Antikörper-Titer haben.
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