Kinder krebskranker Eltern sollten Schulbesuch fortsetzen – Prüfung im Einzelfall

Aachen – Krebsexperten lehnen den Schulbesuch von Kindern krebskranker Eltern nicht kategorisch ab. Sie tendierten im Augenblick vielmehr eher dazu, einen Schul- und Kita-Besuch weiter zu ermöglichen.
Dabei ist es aber wichtig, die individuelle Situation mit dem behandelnden Onkologen zu besprechen, berichtet Tim Brümmendorf vom Centrum für Integrierte Onkologie (CIO) an der Uniklinik RWTH Aachen nach einer Befragung von 13 Onkologischen Spitzenzentren (Comprehensive Cancer Center) in Deutschland.
„Fast täglich erreichen uns Fragen verunsicherter Eltern, die an Krebs erkrankt sind“, erklärte Brümmendorf. Die Betroffenen stünden unter enormem Druck: Einerseits wollten sie einen optimalen Therapieverlauf für sich und bestmögliche Heilungschancen. Andererseits soll der Nachwuchs nicht unter ihrer Krankheit leiden und möglichst weiter Halt im sicheren Alltag finden.
Viele Partner krebsbetroffener Väter und Mütter seien zudem berufstätig und auf die tägliche Kinderbetreuung angewiesen. Eine pauschale Antwort gebe es allerdings nicht. Denn die jeweiligen Lebens- und Krankheitssituationen der Patienten seien zu unterschiedlich, so der Experte.
Laut Robert-Koch-Institut (RKI) erkranken jedes Jahr 37.000 Eltern mit minderjährigem Nachwuchs neu an Krebs, rund 50.000 Kinder sind betroffen.
„Bei einem Patienten mit Hautkrebs, bei dem nur eine lokal begrenzte Behandlung erforderlich ist, steht diese Frage weniger im Vordergrund, da sein Immunsystem wahrscheinlich nicht so stark beeinträchtigt ist. Bei Patienten, die zum Beispiel eine Immun- oder Chemotherapie bekommen, weil sie an Leukämie erkrankt sind, sieht es allerdings anders aus, denn ihre Körperabwehr ist stark eingeschränkt“, so Brümmendorf.
Deshalb empfehlen die Experten den Eltern dringend, in jedem Fall den Onkologen bei ihrer Entscheidung hinzuzuziehen. Neben Krankheits- und Therapieverlauf spiele auch das soziale Umfeld der Familie eine wichtige Rolle.
„Stabile Alltagsabläufe aufrechtzuerhalten, gehört, wie die offene Kommunikation, in den Familien für Kinder zu den wichtigsten Voraussetzungen, um die elterliche Krebserkrankung gut bewältigen zu können“, erläuterte Andrea Petermann-Meyer, Leiterin der Psychoonkologie an der Uniklinik RWTH Aachen, die im Verbund der Onkologischen Spitzenzentren Aachen-Bonn-Köln-Düsseldorf (CIOABCD) die Studie „Familienscout“ durchführt.
Patienten und Ärzte sollten dabei aber den Pandemieverlauf und das aktuelle, lokale Infektionsgeschehen vor Ort stets im Blick behalten. „Wenn im Schulumfeld des Kindes COVID-19-Fälle auftreten oder sich zum Beispiel der Gesundheitszustand des erkrankten Elternteils verschlechtert, muss neu entschieden werden“, so Petermann-Meyer.
Aus Sicht von Vertretern von pädiatrischen und hygienischen Fachgesellschaften sind Schulen und Kindertagesstätten entgegen vieler Sorgen von Lehrern und Eltern keine Hotspots der Pandemie. Bislang gebe es nur wenige Ausbrüche in den Einrichtungen, und wenn, dann in der Regel mit kleinen Fallzahlen.
Die Mehrzahl der Infektionen von Schülern entstehe vielmehr außerhalb der Schulen, berichten die Deutsche Gesellschaft für Krankenhaushygiene (DGKH) und andere. „Die konsequente und engagierte Einhaltung der AHA + L-Regel auch für Lehrer und Betreuer und für alle Schüler nach Alter und Situation gestaffelt ist effektiv“, so die Fachgesellschaften.
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