Klinik, Arzt und Studentin haften für Fehler nach Schönheits-OP
Mainz – Für einen Fehler nach einer Schönheitsoperation müssen die Klinik, der operierende Arzt und eine Medizinstudentin haften. Das hat das Landgericht Mainz entschieden (Az.: 2 O 266/11). Die Studentin hatte bereits im Juni 2011 einer frisch operierten Patientin versehentlich ein Narkosemittel verabreicht. Seither liegt die zweifache Mutter im Koma.
Das Gericht entschied in seinem Urteil vom 15. April nur, dass die genannten Beklagten haften müssen. In welcher Höhe, soll nach einer weiteren Beweisaufnahme festgelegt werden. Der Ehemann der Patientin verlangt Schadenersatz von mehr als 800.000 Euro für die Pflege seiner Frau.
Die Patientin hatte in der Mainzer Klinik einen plastisch-ästhetischen Eingriff vornehmen lassen. Es handelte sich um eine Lidstraffung, Halsstraffung und ein Facelift. Nach der OP in Vollnarkose sollte sie noch ein bis zwei Tage in der Privatklinik verbleiben. Die Patientin war Diabetikerin. Der Eingriff verlief ohne Komplikationen.
Die Medizinstudentin war als einzige Nachtwache in der Abteilung. In der Akte war als Medikation „Infusionsrest aus OP i.v.“ vermerkt. Nachdem die Patientin sich mehrfach übergeben hatte, entschied sich die Studentin dazu, die angebrochene Infusion zu verabreichen, die sich noch im Operationssaal befand. Diese hatte ein Etikett mit der Aufschrift „NaCl“. Allerdings befand sich in der Flasche nicht nur Kochsalzlösung, sondern auch Propofol. Der Inhalt war milchig. Die Patientin erlitt daraufhin einen Atem- und Kreislaufstillstand und musste vom alarmierten Notarzt reanimiert werden. Irreversible Hirnschäden waren die Folge.
Der operierende Arzt und Geschäftsführer der Klinik hätte erkennen müssen, dass die Medizinstudentin nicht für die Nachtwache geeignet war, urteilte das Gericht. Die Studentin habe eine Reihe von „fatalen Fehlentscheidungen“ getroffen. Ein Sachverständiger hatte während des Prozesses erklärt, er erwarte von einer Nachtwache, dass sie die Folgen ihres medizinischen Handelns einschätzen könne und ihre Kompetenzen kenne. Die Studentin sei mit der Situation überfordert gewesen und habe auch nicht gewusst, was im Notfall zu tun sei.
Das Gericht folgte dieser Einschätzung. Strukturelle Probleme in der Organisation der Klinik hätten die Fehler bei der Nachbehandlung verursacht. Die postoperative Betreuung einer Diabetikerin sei eine komplexe Aufgabe. Die Richter urteilten, dass die Betreuung einer frisch operierten Patientin keinesfalls einer Studentin alleine hätte anvertraut werden dürfen. Auch diese sei aber haftbar zu machen, da sie eine angebrochene Infusion verabreicht habe, von der sie nicht sicher wissen konnte, worum es sich handelt.
Der Anästhesist muss hingegen laut Gericht nicht für den Vorfall haften. Dieser hatte argumentiert, seine Anweisung in Bezug auf den Infusionsrest habe sich auf die Flasche bezogen, die noch anhing, als die Patientin aus dem OP kam. Nur diese habe noch durchlaufen sollen. Dass die Studentin einen anderen Infusionsrest aus dem OP angehängt habe, sei unverständlich. Ihm sei nicht bekannt gewesen, dass die Nachtwache keine examinierte Schwester gewesen sei. Das Urteil des Landgerichts Mainz ist noch nicht rechtskräftig.
Neben dem zivilrechtlichen Verfahren wird derzeit auch die strafrechtliche Relevanz überprüft. Die Staatsanwaltschaft Mainz hat ein Verfahren wegen des Verdachts der fahrlässigen Körperverletzung eingeleitet. Ein Sprecher teilte auf Anfrage mit, es werde gegen den Leiter der Klinik, gegen den Anästhesisten und die Medizinstudentin ermittelt. Das Verfahren sei noch nicht abgeschlossen.
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