Kopfgeld auf Politiker: Verdächtiger gefasst

Karlsruhe/Dortmund – Auf der dunklen Seite des Internets soll ein Mann zu Anschlägen auf bekannte Politiker aufgerufen und Spenden für mögliches Kopfgeld gesammelt haben. Auch der ehemalige Bundeskanzler Olaf Scholz (SPD) und Altkanzlerin Angela Merkel (CDU) standen auf der Liste potenzieller Zielpersonen.
Gestern Abend lässt die Bundesanwaltschaft den Verdächtigen in Dortmund festnehmen. Er sitzt nun in Untersuchungshaft. Die obersten deutschen Strafverfolger werfen dem deutsch-polnischen Mann Terrorismusfinanzierung und die Anleitung zur Begehung einer schweren staatsgefährdenden Gewalttat vor.
Neben den Namenslisten soll er im Darknet auch selbst verfasste Todesurteile und Bauanleitungen für Sprengsätze veröffentlicht haben. Zudem habe er Spenden in Form von Kryptowährung eingefordert, die als Kopfgeld für die Tötungen ausgelobt werden sollten.
Das Darknet ist ein verborgener Teil des Internets. Webseiten können dort nicht auf herkömmliche Weise – also über die üblichen Suchmaschinen oder Browser – gefunden werden, sondern nur mithilfe von Anonymisierungsnetzwerken.
Die Seiten sind meist nur direkt aufrufbar und wenn man die genaue URL kennt, heißt es auf der Seite des Bundesamts für Sicherheit in der Informationstechnik (BSI). Die Inhalte haben demnach häufig einen kriminellen Hintergrund.
In diesem verborgenen Raum also befand sich die Plattform „Assassination Politics“ – auf Deutsch etwa: Attentat Politik. Laut Spiegel standen dort auf der „Todesliste“ mehr als 20 Namen – darunter neben Scholz und Merkel auch frühere Minister der Bundesregierung. Weitere Namen wurden bisher nicht bekannt. Unklar ist, ob sich auch aktive oder ehemalige Gesundheitspolitiker auf der Liste befinden.
Dem Bericht zufolge fanden Ermittler auch „Strafakten“ und „Todesurteile“ gegen Richter und Staatsanwälte sowie rechtsextreme, rassistische und verschwörungsideologische Inhalte.
Auf der Plattform seien zudem weitere Informationen mit sensiblen personenbezogenen Daten über die potenziellen Opfer zu finden gewesen, teilte die Bundesanwaltschaft mit. Sie wirft dem Festgenommenen daher auch das gefährdende Verbreiten personenbezogener Daten vor.
Die Ermittler rechnen den Mann dem rechtsextremen Reichsbürger-Milieu zu. Nach Berichten der Tagesschau war der Mann den Sicherheitsbehörden seit 2020 bekannt, weil er durch Widerstandshandlungen bei Coronaprotesten aufgefallen war. Der Hinweis auf die Aktivitäten des Mannes im Darknet kam demnach offenbar vom Bundesamt für Verfassungsschutz.
Haftvorführung in Karlsruhe
Beamte des Bundeskriminalamts und Spezialkräfte der Bundespolizei hatten den Verdächtigen gestern in Dortmund festgenommen. Heute wurde er zur Haftvorführung nach Karlsruhe gebracht, wo der Ermittlungsrichter des Bundesgerichtshofs (BGH) ihm den Haftbefehl eröffnete und diesen in Vollzug setzte.
Bundesinnenminister Alexander Dobrindt (CSU) sagte in Berlin, die Ermittlungen in dem Fall liefen bereits seit Juni. „Wir gehen davon aus, dass der Verdacht auf Terrorismusfinanzierung sich hier erhärten wird.“ Über mögliche Komplizen des Mannes, der mit seiner Familie in Dortmund wohnt, ist bislang noch nichts öffentlich bekannt.
Lauterbach sieht „große Gefahr“
Der frühere Bundesgesundheitsminister Karl Lauterbach (SPD) warnte nach der Festnahme vor einer zunehmenden Gefahr von Gewalt gegen Politiker.
„Es sind Hemmschwellen gefallen, so dass im Internet offen und tabulos über die Bestrafung, die Entführung oder sogar die Ermordung von Politikern gesprochen werden kann“, sagte er dem Redaktionsnetzwerk Deutschland. Im März waren am Oberlandesgericht Koblenz vier Angeklagte zu langen Haftstrafen verurteilt worden, die Lauterbach entführen wollten.
„Ich glaube, dass das langfristig eine große Gefahr ist, der wir unbedingt begegnen müssen“, betonte Lauterbach. „Wichtig ist, dass die entsprechenden Räume systematisch überwacht werden, wie das in diesem Fall geschehen ist, und wir sowohl das Bundeskriminalamt als auch die Landeskriminalämter gut ausstatten – zum Schutz gefährdeter Personen und zur allgemeinen Überwachung der Gefährdungslage.“
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