Politik

Krankenhausrating: Wirtschaftliche Lage verschlechtert sich erneut

  • Donnerstag, 15. Juni 2023
/janews094, stock.adobe.com
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Berlin – Die wirtschaftliche Lage der Krankenhäuser hat sich wieder verschlechtert. 32 Prozent der Kliniken schrieben auf Konzernebene einen Jahresverlust, elf Prozent lagen sogar im „roten Bereich“ mit erhöhter Insolvenzgefahr: Zu diesem Befund kommt der heute vorgelegte Krankenhaus Report 2023 des RWI-Leibniz-Institut für Wirtschaftsforschung in Essen.

Die Zahlen beziehen sich auf das Jahr 2021. Als Grund für die schlechtere wirtschaftliche Lage der Kliniken wurde vor allem der Rückgang der Ausgleichszahlungen im Rahmen der Coronapandemie genannt.

Im Krankenhaus Report des Vorjahres lag der Anteil der Krankenhäuser mit Jahresverlust bei 22 Prozent, bei sieben Prozent der Kliniken bestand damals erhöhte Insolvenzgefahr.

Die wirtschaftliche Lage deutscher Krankenhäuser habe sich im Jahr 2021 „wieder verschlechtert“, erklärte RWI-Gesundheitsexperte Boris Augurzky. „Die geplante große Krankenhausreform ist ein notwendiger Schritt, um das deutsche Gesundheitswesen effizienter und damit zukunftsfähig zu machen.“

Regional weist die wirtschaftliche Situation der Kliniken erhebliche Unterschiede auf: „Signifikant besser fällt das Rating in Ost-Deutschland aus, am schlechtesten in Bayern und Baden-Württemberg“, heißt es in dem Bericht.

Für das Jahr 2022 und das aktuelle Jahr liegen dem Institut noch keine Daten vor. Allerdings erarbeiteten die Expertinnen und Experten anhand der aktuellen Trends eine Projektion, die eine weitere Verschärfung der Lage für die kommenden Jahre erwarten lässt.

Demnach würde der Anteil der insolvenzgefährdeten Kliniken im Jahr 2023 auf 18 Prozent und bis 2030 auf 44 Prozent steigen. Der Anteil der Krankenhäuser mit einem Jahresverlust würde 2023 auf 47 und bis 2030 auf 58 Prozent wachsen. Grund hierfür seien unter anderem die Inflation sowie enorme Kostensteigerungen im Energiebereich, die durch den Krieg gegen die Ukraine entstanden sind.

„Daraus würde ein enormer Anpassungsdruck entstehen“, resümieren die Fachleute. Das deutsche Gesundheitswesen stehe „vor großen Herausforderungen, für die es aktuell nicht gerüstet ist“.

Zudem weisen die Krankenhäuser derzeit nur eine Auslastung zu 68 Prozent vor. Diese sei seit Beginn der Pandemie bis 2022 relativ konstant geblieben, erklärte Augurzky heute auf dem Hauptstadtkongress. Im Vergleich zu 2019 gebe es 13 Prozent weniger Fallzahlen im stationären Bereich. Augurzky schätzt, dass diese Zahlen künftig langfristig nicht ansteigen werden.

Der Krankenhaus Report weist zudem auf absehbar wachsende Schwierigkeiten bei der Personalausstattung hin. In den kommenden Jahren werde das Arbeitskräftepotenzial „stark sinken“, weil besonders geburtenschwache Jahrgänge in den Arbeitsmarkt einträten. „Der daraus resultierenden Knappheit von Fachkräften kann mit qualifizierter Zuwanderung nur bedingt entgegengewirkt werden“, heißt es in dem Bericht.

Insgesamt drei mögliche Zukunftsszenarien der Krankenhäuser beschrieb Augurzky heute. Im ersten Szenario werde die Situation lediglich fortgeschrieben, es bleibe bei der Leistungsmenge und die Löhne werden weiter steigen. Zudem seien in diesem Szenario bereits die Hilfen des Bundes für das Jahr 2023 berechnet.

Ein deutlich schwierigeres Szenario sei, wenn Personalengpässe aufgrund des Fachkräftemangels drängender werden und die Ambulantisierung weiter voranschreite. Dann werde das Leistungsniveau aus dem stationären Bereich weiter sinken, prognostizierte Augurzky.

In einem dritten möglichen Szenario sei aber auch eine Optimierung und eine Produktivitätsverbesserung möglich. Dafür müsste die Krankenhausstruktur optimiert werden sowie Kapazitäten abgebaut und Betriebskosten gesenkt werden. Hierfür braucht es die Krankenhausreform, die Konzentrationen fördere, indem Standorte zusammengelegt werden. Allerdings werden hierfür auch ausreichend Investitionsmittel benötigt.

Augurzky schätzt, dass es einen kurzfristigen Zuschuss von etwa vier bis fünf Milliarden Euro bräuchte, um die Lage der Krankenhäuser für das kommende Jahr stabil zu halten und den Status Quo zu erhalten. Allerdings würde man damit auch Kapazitäten fortschreiben, die man nicht braucht, so Augurzky.

Für die Krankenhausreform selbst bräuchte es rund 25 bis 50 Milliarden Euro an Investitionsmitteln sowohl von Bund und Ländern, schätzt Augurzky weiter. Diese Kosten müssten aber auf die nächsten zehn bis 15 Jahre verteilt werden.

Die stellvertretende Vorsitzende der Deutschen Krankenhausgesellschaft (DKG), Henriette Neumeyer, kritisierte, dass die Politik den „eiskalten Strukturwandel“ im Krankenhausbereich in Kauf nehme und nichts dagegen unternehmen wolle. Die Kostensteigerungen im GKV-System führten zu einer dramatischen Unterfinanzierung der Häuser. Hinzu komme die demografische Entwicklung und der Klimawandel die weitere Investitionen nötig machen, etwa für energetische Sanierungen und eine erhöhte Nachfrage nach Leistungen. Sie plädierte in diesem Zug auch für mehr Prävention, das „Stiefkind in Deutschland“. Hier brauche es einen Paradigmenwechsel, damit die Versorgung nachhaltig sichergestellt werden könne.

Neumeyer wiederholte in diesem Zuge auch die Forderung der DKG nach einem Vorschaltgesetz vor der geplanten Krankenhausreform, um die Finanzierung der Kliniken sicherzustellen.

Auch Wulf-Dietrich Leber von der Gesetzlichen Krankenversicherung (GKV), kritisierte heute, dass Bundesgesundheitsminister Karl Lauterbach (SPD) es nicht schaffe, Geld für die Sicherung der Krankenhäuser freizustellen. Zudem nehme Lauterbach Beitragserhöhungen der Krankenkassen einfach hin, bemängelte Leber. Vorgestern hatte Lauterbach erneute Beitragserhöhungen für 2024 angekündigt.

afp/cmk

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