Krankenkassen warnen vor Debakel bei Digitalisierung

Berlin – Bei den Krankenkassen wächst der Widerstand gegen die Digitalisierungsvorgaben von Bundesgesundheitsminister Jens Spahn. Der Zeitdruck, den der CDU-Politiker bei der Einführung der elektronischen Patientenakte (ePA) mache, sei kontraproduktiv, sagte der Vorstandschef der Siemens-Betriebskrankenkasse (SBK), Hans Unterhuber, dem Berliner Tagesspiegel.
Nach dem bisherigen Stand der Dinge laufe es darauf hinaus, dass man nach dem Desaster mit der elektronischen Gesundheitskarte nun „wieder viel Geld in den Sand setzt“, ohne dass Krankenversicherte und Patienten einen nennenswerten Nutzen hätten.
Bis 2021 müssen alle Krankenkassen eine Patientenakte anbieten, im anderen Falle drohen ihnen finanzielle Sanktionen. Wenn das Projekt so weiterlaufe wie bisher, werde man die Versicherten schwer enttäuschen, prophezeien Kassenexperten. Es handle sich dann um ein Angebot, das hochkompliziert und nur eingeschränkt nutzbar sei. „Und für diese Enttäuschung unserer Versicherten werden wir immens viel Geld ausgeben“, heißt es in einem internen Papier von mehr als 90 Krankenkassen, aus dem der Tagesspiegel zitiert.
Nachdem bei der elektronischen Gesundheitskarte schon so viel Zeit vertan worden sei, könne er gut verstehen, dass die Politik den Druck deutlich verschärfe, sagte Unterhuber. Doch die Rahmenbedingungen, innerhalb derer die Patientenakte nun entwickelt werde, seien hoffnungslos veraltet. „Sie stammen aus einer Zeit, als es noch nicht mal Smartphones gab.“
Eine systematische Anpassung der Vorschriften an die heutigen technischen Möglichkeiten sei niemals vorgenommen worden, kritisiert der Kassenchef. Und wenn man sich bei der elektronischen Patientenakte nicht an internationalen Standards zum Datenaustausch orientiere und am Ende lediglich „eine Insellösung“ schaffe, sei der ganze Aufwand unter Zeitdruck sinnlos.
An der Entwicklung der Patientenakte in Deutschland beteilige sich „nur ein ganz kleiner Kreis“ von Unternehmen. Für die meisten lohne es sich nicht, mit hohem Aufwand an einer Lösung zu arbeiten, die international weder operabel noch weiterverkaufbar sei, so Unterhuber. Für die vorgesehene Konnektorentechnik gebe es nur wenige Anbieter. „Wir werden Preise zahlen, die ins Uferlose gehen, weil es kaum Wettbewerb gibt.“
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