Politik

Krankenkassen wollen Reform der Arzneimittelpreisbildung

  • Freitag, 27. Juni 2025
/thodonal, stock.adobe.com
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Berlin – Vertreter der gesetzlichen Krankenversicherung (GKV) haben sich für grundlegende Reformen der Arzneimittelpreisbildung ausgesprochen. „Wir müssen die Beitragsspirale stoppen, und dabei führt kein Weg an einer einnahmeorientierten Ausgabenpolitik vorbei“, erklärte der Vorstandsvorsitze der DAK-Gesundheit, Andreas Storm, in Berlin.

Die bisherigen Vorhaben der neuen Bundesregierung würden bei weitem nicht ausreichen, die aktuelle Beitragsentwicklung zu bremsen, kritisierte er beim Hauptstadtkongress 2025. Die Politik müsse nun eine Doppelstrategie aus kurzfristigen Maßnahmen zur Stützung der Kassenfinanzen und grundsätzlichen Reformen verfolgen – insbesondere mit Blick auf die Kostenentwicklung bei patentgeschützten Arzneimitteln.

Die im Koalitionsvertrag vorgesehene Kommission zur Erarbeitung von Reformvorschlägen zur Stabilisierung der GKV-Finanzen müsse deshalb um eine Unterkommission ergänzt werden, die sich speziell mit der Preisbildung nach dem Arzneimittelmarktneuordnungsgesetz (AMNOG) befasst, forderte Storm.

Diese müsse auch „die Frage nach der Dauer der Preisprivilegien bei innovativen Arzneimitteln“ stellen. „Wir brauchen eine grundlegende Überprüfung der Mechanismen der Arzneimittelpreisbildung“, sagte er.

Kurzfristig – aber nur übergangsweise – sei eine Dynamisierung des Herstellerabschlags ein geeignetes Mittel zur Kostenstabilisierung. Der Herstellerabschlag ist ein gesetzlich vorgeschriebener Rabatt von sieben Prozent des Abgabepreises patentgeschützter Arzneimittel.

Er war bereits mit dem GKV-Finanzstabilisierungsgesetz (GKV-FinStG) auf das Jahr 2023 befristet auf zwölf Prozent angehoben worden. Storm schlug nun vor, ihn beispielsweise an die gesamtwirtschaftliche Wachstumsrate zu koppeln.

Eine weitere sinnvolle Maßnahme aus dem GKV-FinStG seien die Kombinationsabschläge gewesen, ergänzte Anja Tebinka-Olbrich, Leiterin des Referats AMNOG-Erstattungsbetragsverhandlungen beim GKV-Spitzenverband. Diese müssten noch ausgebaut werden. Bisher gilt ein 20-prozentiger Abschlag auf sogenannte freie Kombinationen.

Außerdem müsse das System der Preisverhandlungen zwischen GKV-Spitzenverband und pharmazeutischen Unternehmen gestärkt sowie das Instrument der vertraulichen Erstattungspreise abgeschafft werden. „Da muss der Gesetzgeber nochmal ran“, betonte sie.

Die Kombinationsrabatte seien bürokratisch, fehleranfällig und stellten eine Doppelbelastung für die Pharmaunternehmen dar, erwiderte darauf Melanie von Wildenradt, Leiterin der Abteilung für Marktzugang bei Pfizer.

Sie plädierte stattdessen dafür, die Mehrwertsteuer auf Arzneimittel zu senken. In Europa würden nur Deutschland, Dänemark und Bulgarien den erhöhten Satz von 19 Prozent auf Arzneimittel nehmen, in allen anderen Ländern sei er niedriger, teils sogar unter sieben Prozent. Die Absenkung würde die GKV um Milliarden Euro entlasten.

Einig waren sich Tebinka-Olbrich und von Wildenradt, dass die Preisverhandlungen gestärkt werden müssen – wenn sie auch unterschiedliche Vorstellungen haben, wie genau das geschehen soll. „Wir schlagen eine Vereinfachung der AMNOG-Regelungen vor, damit sich beide Seiten wieder darauf konzentrieren können, eine möglichst passgenaue Lösung zu finden“, sagte sie.

Robert Welte aus der Abteilung Marktzugang und Erstattung bei Gilead Sciences plädierte dafür, den Blick über die Arzneimittelpreisbildung hinaus zu erweitern. „Alle schauen nur auf die Preise, aber nicht nach dem Budget Impact“, sagte er. „So könnte kein einziges Unternehmen arbeiten.“ Vielmehr müsse die Ausgabenverringerung – beispielsweise durch die Verhinderung weiterer Behandlungen oder Medikationen – mit einberechnet werden.

Der Gesundheitsökonom Wolfgang Greiner von der Universität Bielefeld wiederum forderte Realismus in den Diskussionen: Vor allem kurz- bis mittelfristig könne man mit strukturellen Veränderungen nicht die Einsparungen generieren, die notwendig sind.

Entweder müssten die Beiträge weiter steigen, der Staat müsse mehr Steuergelder hinzuschießen, es müsse mehr Selbstbeteiligung geben – oder man müsse Leistungskürzungen vornehmen. An mindestens einer dieser Maßnahmen werde kein Weg vorbeiführen. „Wir müssen uns daran gewöhnen, dass bald unangenehme Dinge getan werden müssen“, sagte er.

Zuvor hatte Storm kritisiert, dass der Bund seinen dahingehenden Verpflichtungen partout nicht nachkomme. Allein für die Stabilisierung des Rentenniveaus und das CSU-Projekt Mütterrente nehme die Bundesregierung 16 Milliarden Euro in die Hand. „An die GKV fließt zeitgleich zum Ausgleich versicherungsfremder Leistungen nichts, kein einziger Cent“, sagte er. „Da endet dann irgendwann meine Geduld.“

lau

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