Krebsmutationen bei tiefer Endometriose gefunden

Baltimore – Die Endometriose, das meist schmerzhafte Auftreten von Uterusschleimhaut außerhalb der Gebärmutter, wird bisher als gutartige Störung betrachtet. Eine Exom-Analyse von infiltrativen Läsionen im New England Journal of Medicine (2017; 376: 1835-1848) ergab jedoch, dass viele Zellen Mutationen aufweisen. In einigen Fällen waren darunter auch Treibermutation wie bei Krebserkrankungen.
Etwa eine von zehn Frauen im gebärfähigen Alter leidet unter einer Endometriose, die infolge der häufig zyklusabhängigen Wucherungen der extra-uterinen Schleimhautinseln zu starken Schmerzen führen kann. Bei jungen Frauen ist die Endometriose für die Hälfte aller schmerzhaften Unterleibsbeschwerden verantwortlich. Es werden drei Subtypen unterschieden: die oberflächliche peritoneale Endometriose, die ovarielle Endometriose und die tiefe infiltrierende Endometriose. Nur die ovarielle Endometriose wurde bisher mit Krebserkrankungen in Verbindung gebracht. Die beiden anderen Formen gelten als gutartig.
Umso überraschender sind die Ergebnisse einer Arbeitsgruppe um Ie-Ming Shih von der Johns Hopkins University School of Medicine in Baltimore (wo die Erkrankung vor einem Jahrhundert erstmals beschrieben wurde). Die Forscher hatten bei 24 Frauen mit tiefer infiltrierender Endometriose in Gewebeproben aus verschiedenen Läsionen und der normalen Gebärmutterschleimhaut eine Exom-Analyse durchgeführt. Das Exom ist die Gesamtheit aller Gene, die Erbinformationen für Proteine speichern.
19 der 23 Frauen hatten somatische Mutationen in den Zellen der Läsionen. Dies widerspricht der derzeitigen Annahme, wonach die Endometriose durch die „Verschleppung“ normaler Endometriumzellen, beispielsweise durch eine „retrograde Menstruation“, über die Eileiter in die Bauchhöhle gelangen und sich dort ansiedeln.
Noch ungewöhnlicher war die Entdeckung von Mutationen in den Genen ARID1A, PIK3CA, KRAS oder PPP2R1A in den Läsionen. Diese Gene beeinflussen Zellwachstum, Zellinvasion und DNA-Reparatur und bestimmte Varianten werden als Treibermutationen für Wachstum und Aggressivität von Krebserkrankungen verantwortlich gemacht. Insgesamt fünf Patientinnen wiesen diese Mutationen auf. Eine genauere Untersuchung wies KRAS-Mutationen bei zwei von drei Patientinnen auf, die zusätzlich untersucht wurden.
Der relativ häufige Nachweis der Treibermutation ist ungewöhnlich, da nach derzeitigem Kenntnisstand sich auf dem Boden einer tiefen infiltrierenden Endometriose sehr selten, wenn überhaupt, Karzinome entwickeln. Hinzu kommt, dass die Endometriose-Läsionen aus Epithelzellen und Stromazellen bestehen, die Mutationen jedoch einzig in den Epithelzellen gefunden wurden.
Der häufige Nachweis von Treibermutationen könnte bedeuten, dass die tiefe Endometriose vielleicht doch nicht so gutartig ist, wie bisher angenommen. Wie Shih berichtet, wies eine der Frauen in drei unterschiedlichen Läsionen dieselbe Mutation in einem Treibergen auf. Ein Zufall kann aufgrund der Größe des Erbguts ausgeschlossen werden, meint Shih. Die einfachste Erklärung sei, dass der Tumor bei dieser Frau bereits Metastasen gebildet hat.
Diskutieren Sie mit
Werden Sie Teil der Community des Deutschen Ärzteblattes und tauschen Sie sich mit unseren Autoren und anderen Lesern aus. Unser Kommentarbereich ist ausschließlich Ärztinnen und Ärzten vorbehalten.
Anmelden und Kommentar schreiben
Bitte beachten Sie unsere Richtlinien. Der Kommentarbereich wird von uns moderiert.
Diskutieren Sie mit: