Krebsüberlebende haben erhöhtes Risiko auf venöse Thromboembolien und Herz-Kreislauf-Erkrankungen

London – Wer eine Krebserkrankung überlebt hat, ist deshalb noch lange nicht gesund. Eine bevölkerungsbasierte Kohortenstudie im Lancet (2019; doi: 10.1016/S0140-6736(19)31674-5) zeigt, dass viele Patienten ein erhöhtes Risiko auf venöse Thromboembolien und Herz-Kreislauf-Erkrankungen haben.
Die Hälfte aller Krebspatienten hat dank der verbesserten Behandlungsmöglichkeiten heute eine Lebenserwartung von 10 Jahren oder länger. Sie verdanken dies häufig einer aggressiven Radio- und/oder Chemotherapie, die nicht ohne Folgen für die Gesundheit bleibt. Seit längerem ist bekannt, das einige Anthrazykline, Trastuzumab oder eine Brustbestrahlung das kardiovaskuläre Risiko erhöhen. Bei den neuen Immuntherapien, Tyrosinkinasehemmer, Proteasom-Inhibitoren und Antiöstrogenen ist dies ebenfalls zu erwarten, da sie eine endotheliale Dysfunktion verursachen oder den Blutdruck steigern.
Helen Strongman von der London School of Hygiene & Tropical Medicine und Mitarbeiter haben hierzu die Daten des „UK Clinical Practice Research Datalink“ ausgewertet, der die elektronischen Krankenakten von 7 % aller Briten verwaltet. Darunter waren insgesamt 126.120 Patienten, die nach 1990 die Diagnose einer Krebserkrankung um mindestens ein Jahr überlebt haben. Strongman verglich die Krebsüberlebenden mit bis zu 5 Patienten gleichen Alters und Geschlechts, die nicht an Krebs erkrankt waren.
Die Überlebenden von 10 der 20 wichtigsten Krebsarten erkrankten in den Folgejahren häufiger an einer Herzinsuffizienz oder einer Kardiomyopathie. Besonders betroffen waren Patienten mit hämatologischen Krebserkrankungen. Longman ermittelte eine adjustierte Hazard Ratio von 1,94 (95-%-Konfidenzintervall 1,66-2,25) für Non-Hodgkin-Lymphome, von 1,77 (1,50-2,09) für Leukämien und von 3,29 (2,59-4,18) für Patienten mit Multiplem Myelom.
Aber auch Überlebende von Ösophaguskarzinom (Hazard Ratio 1,96; 1,46-2,64), Lungenkrebs (1,82; 1,52-2,17), Nierenkrebs (1,73; 1,38-2,17) oder Ovarialkarzinom (1,59; 1,19-2,12) hatten ein erhöhtes Risiko auf eine spätere schwere Herzkrankheit.
Das Risiko auf venöse Thromboembolien war sogar bei 18 von 20 Krebserkrankungen erhöht. Die adjustierten Hazard Ratios schwankten zwischen 1,72 (1,57-1,89) bei Patienten mit Prostatakrebs bis 9,72 (5,50-17,18) bei Patienten mit Pankreaskarzinom.
Die erhöhten Risiken werden derzeit kaum bei der Planung von präventiven Therapien berücksichtigt. Die Indikation zur Behandlung erhöhter Cholesterin- und/oder Blutdruckwerte wird zunehmend auf der Basis von Risikokalkulatoren gestellt. Dort wird derzeit nicht nach früheren Krebserkrankungen gefragt. Angesichts von 16 Millionen Krebsüberlebenden in den USA ist dies nach Ansicht der Editorialistin Anne Blaes von der Universität von Minnesota in Minneapolis jedoch längst überfällig.
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