Medizin

Krebszellen können gesunde Zellen „infizieren“

  • Montag, 27. Oktober 2014
Uploaded: 27.10.2014 12:34:02 by mis
Krebszellen eines Lungentumors /dpa

Houston – Krebszellen geben kleine Bläschen an ihre Umgebung ab, die einer Studie in Cancer Cell (2014; doi: 10.1016/j.ccell.2014.09.005) zufolge andere Zellen zum Tumorwachstum anregen können. Die Entdeckung könnte für die Entwicklung neuer Therapien genutzt werden.

Viele Zellen geben Vesikel von der Größe von Viren an ihre Umgebung ab. Die als Exome bezeichneten Bläschen sind Abschnürungen der Zellmembran. Ihr Inhalt besteht aus Nukleinsäuren und Proteinen. Ihre Funktion ist nicht bekannt. Die Spekulationen reichen von der Entsorgung von Schadstoffen bis zu einer interzellulären Botenfunktion. Auch einige Viren, darunter HIV, nutzen Exome, um von einer Zelle zur nächsten zu gelangen.

Krebszellen setzen ebenfalls Exome in ihre Umgebung frei. Sie sind dabei sogar fleißiger als normale Zellen. Die Forschung hat dies bisher als Ausdruck der chaotischen Transformation der Zelle gedeutet. Doch die in den Exomen transportierten Nuklein­säuren enthalten durchaus ein malignes Potenzial, wie Raghu Kalluri vom MD Anderson Cancer Center in Houston in einer Reihe von Experimenten an Brustkrebszellen zeigt.

Das Team entdeckte, dass die von den Krebszellen freigesetzten Exome einen speziellen Komplex aus RNA und Proteinen enthalten, den Genetiker als „RNA-induced silencing complex“ oder RISC bezeichnen. Die Proteine des RISC können die RNA-Moleküle zerkleinern und damit sogenannte microRNA aktivieren. MicroRNA verbinden sich in der von den Exomen „infizierten“ Zelle mit Messenger-RNA und verhindern dadurch die Bildung bestimmter Proteine, was als „Silencing“ bezeichnet wird. Dies ist ein tiefer Eingriff in den Zellstoffwechsel, der möglicherweise das Krebswachstum vorantreibt.

Mit den Exomen exportieren Krebszellen diese Fähigkeit an andere Zellen, die sich dann unter Umständen in Krebszellen verwandeln. Kalluri konnte diese Wirkung an einzelnen Epithelzellen beobachten. Wurden sie mit den Exomen aus gesunden Zellen „infiziert“, gab es keine Veränderung. Stammen die Exome dagegen von Krebszellen, begannen die Epithelzellen Tumore zu bilden. Ein ähnlicher Effekt trat bei Mäusen auf, denen die Forscher eine Mischung aus Exomen und Zellen injizierten. Stammten die Exome von Krebspatienten, kam es zur einer Proliferation der Tumorzellen in den Mäusen.

Die tumor-induzierende Wirkung der Exome wurde verhindert, wenn die in RISC enthaltenen Enzyme blockiert wurden. Noch ist unklar, ob die Exome auch bei Krebserkrankungen am Menschen eine Rolle spielen. Sollte dies der Fall sein, könnte ihre schädliche Wirkung möglicherweise durch die Hemmung der RISC-Enzyme verhindert werden. Da die Exome auch im peripheren Blut vorhanden sind, könnte ihr Nachweis zur Diagnose von Krebserkrankungen genutzt werden.

rme

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