Politik

Kritik an Verfassungsklage gegen Mindestmengenregelung

  • Mittwoch, 13. August 2025
/Maybaum
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Berlin – Gestern haben drei Bundesländer gegen drei Mindestmengenregelungen des Gemeinsamen Bundesausschusses (G-BA) Verfassungsbeschwerde eingereicht. Krankenkassen und Patienten zeigten sich heute davon irritiert. Sie stärkten dem Gremium den Rücken.

Die Eingabe von Baden-Württemberg, Schleswig-Holstein und Sachsen-Anhalt richtet sich gegen die Mindestmengenregelung für Extrem-Frühchen mit einem Geburtsgewicht unter 1.250 Gramm, zur allogenen Stammzelltransplantation sowie zu den Personalvorgaben in der Psychiatrie.

Die drei Länder sehen sich durch die Qualitätsvorgaben des G-BA unrechtmäßig in der Krankenhausplanung eingeschränkt und sind besorgt, dass die Vorgabe zu Versorgungsverschiebungen und Versorgungsengpässen führt.

Bereits gestern hatte der G-BA dieser Darstellung widersprochen. „Qualität ist nicht verhandelbar’“, sagte G-BA-Chef Josef Hecken. Mit Krankenhausplanung habe dies nichts zu tun.

Heute bekam er Rückendeckung vonseiten der Krankenkassen und Patientenvertreter. „Die drei Bundesländer betreiben hier offenbar Standortpolitik auf Kosten des Patientenwohls, und das unter dem Deckmantel der Daseinsvorsorge“, sagte Thomas Moormann, Leiter des Teams Gesundheit und Pflege beim Verbraucherzentrale Bundesverband.

Er betonte, planbare Leistungen sollten immer dort stattfinden, wo die am besten verfügbare Versorgungsqualität zu erwarten sei. So funktioniere Spezialisierung und nur das garantiere eine bestmögliche Versorgung.

Auch der GKV-Spitzenverband blickt mit großer Sorge auf die Klage.„Wir haben kein Verständnis für die Klagen“, sagte Martin Krasney, Vorstandsmitglied des GKV-Spitzenverbandes. Die Mindestmengen für die Versorgung der kleinen Frühgeborenen seien eingeführt worden, weil die Qualität der Leistung von der Erfahrung der Behandler abhänge. Die Mindestmengen dienten somit „dem Schutz der Frühgeborenen und sollen die qualitativ bestmögliche Versorgung sicherstellen.“

Frühgeborene mit einem Geburtsgewicht von weniger als 1.250 Gramm seien zudem extrem selten. Bei solchen Frühgeburten handele es sich grundsätzlich um planbare Ereignisse, die Mütter könnten mit ihren Kindern in der Regel rechtzeitig vor der Geburt zu einer geeigneten Klinik gebracht werden. „An einem Standort mit höherer Fallzahl sind die Überlebenschancen der Kinder nachgewiesenermaßen deutlich höher und das Risiko für lebenslange gesundheitliche Schäden geringer“, so Krasney.

Für den AOK-Bundesverband ist das Vorgehen der drei Bundesländer aus mehreren Gründen nicht nachvollziehbar. „Bei der beklagten Mindestmenge zur Frühgeborenenversorgung geht es um Qualitätssicherung und somit um die Patientensicherheit. Die Krankenhausplanung liegt weiterhin in der Hoheit der Länder und ist davon völlig unberührt“, betonte die Vorstandsvorsitzende des AOK-Bundesverbandes, Carola Reimann.

Sie führte aus, dass wissenschaftliche Studien belegten, dass eine ausreichende Fallzahl ein entscheidender Faktor für ein besseres Überleben der Frühgeborenen mit einem besonders geringen Geburtsgewicht sei.

Daher sei die Mindestmengenregelung „ein sinnvolles Instrument“, das die Versorgung an diesem Punkt entscheidend verbessern könne. Darüber hinaus handele es sich um planbare Behandlungen, bei denen die Sicherheit und das gute Überleben der Frühgeborenen Vorrang hätten.

„Wenn ein Bundesland im Einzelfall von diesen Vorgaben abweichen will, um die flächendeckende Versorgung abzusichern, kann es heute bereits eine Ausnahmegenehmigungen für eine Klinik erteilen, die die Mindestmenge nicht oder noch nicht erreicht“, erläuterte Reimann.

Umso unverständlicher ist für die AOK-Vorsitzende das juristische Vorgehen der Länder. Damit werden aus ihrer Sicht die Qualitätsvorgaben der Gemeinsamen Selbstverwaltung ganz grundsätzlich angegriffen und infrage gestellt.

„Immer wieder ist schon in der Vergangenheit versucht worden, die Festlegungen des Gemeinsamen Bundesausschusses auf juristischem Wege auszuhebeln – bisher glücklicherweise ohne Erfolg“, so Reimann. Insbesondere bei der Mindestmengenregelung handele sich um ein wertvolles und wirksames Instrument zur Verbesserung der Patientensicherheit und Versorgungsqualität. Das sollte aus Sicht der AOK nicht aufgeweicht werden.

Die Deutsche Krankenhausgesellschaft (DKG) sieht in der eingereichten Verfassungsbeschwerde eine wichtige Gelegenheit, verfassungsrechtlich prüfen zu lassen, in welchem Umfang Richtlinien des G-BA und bundesrechtliche Vorgaben die Krankenhausplanung der Länder beeinflussen oder beschränken dürfen.

„Gerade vor der anstehenden Krankenhausreform ist es richtig und wichtig, höchstrichterlich Grenzen festzulegen oder klar zu benennen, um die Hoheit der Länder bei der Krankenhausplanung zu sichern“, sagte Henriette Neumeyer, stellvertretende Vorstandsvorsitzende der DKG.

Kern der Verfassungsbeschwerde ist aus Sicht der DKG nicht die grundsätzliche Frage, ob bundesweite Vorgaben zur Sicherung der Versorgungsqualität sinnvoll und zulässig sind, sondern nur wie diese Vorgaben ausgestaltet sein müssen, um die Krankenhausplanung der Länder nicht unzulässig einzuschränken.

„Eine Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts wird Klarheit darüber schaffen, in welchem Umfang die Krankenhausplanung weiterhin als Ländersache und Ausdruck der Länderhoheit bestehen bleibt“, so Neumeyer. Insofern stehe zu hoffen, dass das Bundesverfassungsgericht schnell über die Annahme der Beschwerde der Länder befindet und auch die weitere gerichtliche Klärung zügig erfolge.

Denn sowohl die Mindestmengenvorgaben als auch die anstehende Krankenhausreform würden Fakten schaffen, die selbst bei einem späteren Erfolg vor dem Bundesverfassungsgericht nur schwer rückgängig zu machen seien.

may

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