Künstliche Harnableitung: So schnell belagern Erreger die Niere

Hamburg/Essen – Uropathogene Erreger können innerhalb weniger Tage einen Splintkatheter besiedeln und bis zur Niere wandern, wenn der Katheter durch den Urin kontaminiert wurde. Die genaue Wanderungsgeschwindigkeit durch das harnableitende System haben Forscher aus Hamburg und Essen ermittelt und im Urologen publiziert (2016; doi: 10.1007/s00120-016-0250-y). Die weiteste Strecke legte P. mirabilis nach 72 Stunden zurück.
Nach einer operativen Entfernung der Harnblase haben Patienten verschiedene Möglichkeiten der künstlichen Harnableitung. Am häufigsten ist das Ileumconduit aus einem Abschnitt des Dünndarms. Können Urologen diese Option nicht durchführen, wird der Harn über die Uretherhautfistel abgeleitet.
In der Übergangsphase nach der Operation kommt zunächst ein künstlicher Abluss, der Splintkatheter, für zehn bis 14 Tage zum Einsatz, um der Heilung Zeit zu geben. Dieser könne mit kontamminiertem Harn aus dem Urinbeutel in Kontakt kommen, schreiben die Autoren. Ob die Liegedauer ausreicht, damit der Erreger die Nieren erreicht und infiziert, haben Forscher des Universitätsklinikums Essen zusammen mit der Coloplast GmbH und der Dr. Brill und Partner GmbH in Hamburg untersucht.
Aus den Ergebnissen des In-Vitro-Modells lässt sich eine Wandergeschwindigkeit der Bakterien für In-Vivo-Gegebenheiten ableiten. Das Ergebnis: Innerhalb der üblichen Liegedauer der Splintkatheter beim Urostoma von zehn bis 14 Tagen wäre dieser vollständig besiedelt. Die durchschnittliche Wanderungsstrecke betrug nach 72 Stunden bei begeißelten E. coli 0,63 cm/h, 0,80 cm/h für S. aureus (nicht begeißelt) und 0,94 cm/h für begeißelte P. mirabilis. E. coli hätten somit nach drei Tagen 80 cm zurückgelegt, der Weg ist kürzer als 40 cm. Die Gefahr, dass sich eine Harnwegsinfektion bei Patienten mit Urostomie zu einer Niereninfektion weiterentwickelt, ist daher sehr groß, heißt es in der Studie.
Keinen entscheidenden Einfluss schien die Begeißelung des Bakteriums für das Wachstum zu spielen. Auch mit Antibiotika gelang es den Forschern nicht, die Wanderung vollständig zu verhindern. Sie konnten sie aber auf ein Zehntel verringern. In ihrem Fazit weisen die Autoren darauf hin, dass die Rücklaufsperre aufgrund der besseren Fixierung der Splinte möglichst nicht durchstoßen werden solle. Bei dieser üblichen Praxis sei die Gefahr gegeben, dass kontaminierter Harn im Beutel übertragen wird. Das wichtigste Ziel der hygienischen Maßnahmen müsse sein, Bakterien daran zu hindern, im Splintkatheter aufzusteigen.
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