KV Hamburg warnt Psychotherapeuten vor Einbindung in Online-Intervention „MindDoc“

Hamburg – Die Kassenärztliche Vereinigung (KV) Hamburg warnt Psychotherapeuten vor der Teilnahme an der Online-Intervention „MindDoc by Schön Klinik“. Mit der Beschäftigung von niedergelassen Psychotherapeuten als freie Mitarbeiter verletze die Klinik „den Grundsatz der persönlichen Leistungserbringung“.
In Hamburg wurde nach Angaben der KV bei niedergelassenen Verhaltenstherapeuten dafür geworben, über Honorarverträge die obligatorischen Erstgespräche mit Patienten vor Beginn einer Online-Therapie zu führen. Die KV hat bereits die Rechtsaufsicht, das Bundesamt für Soziale Sicherung, eingeschaltet.
Mit der Online-Intervention MindDoc, die auf die Behandlung von Depressionen, Essstörungen, Angst- und Zwangsstörungen zielt, will die SchönKlinik nach eigenen Angaben die Vorteile der telemedizinischen Versorgung für psychisch kranke Menschen nutzen.
„Das Angebot erfreut sich bei Patienten sehr großer Beliebtheit und wird von vielen Krankenkassen erstattet“, heißt es in einer Stellungnahme der Klinikgruppe, die sich auf „die Behandlung von Menschen mit psychischen Problemen“ spezialisiert hat.
180 Euro für 50 Minuten psychotherapeutisches Erstgespräch
Für die Erstgespräche erhalten Psychotherapeuten von der Schön Klinik 180 Euro je 50 Minuten und damit fast doppelt so viel wie in der Regelversorgung. Im Rahmen von Selektivverträgen erstatten unter anderem die Barmer und die AOK Bayern die Kosten für MindDoc. Außerdem zahlen eine Reihe von privaten Krankenkassen für die Intervention.
„Auch im Rahmen der besonderen Versorgung durch Selektivverträge gilt der Grundsatz der persönlichen Leistungserbringung, gegen den hier verstoßen wird“, erklärt die KV Hamburg. Dies ergebe sich aus einem Regelungskomplex, der sich aus dem Bundesmantelvertrag und Paragraf 140a Sozialgesetzbuch (SGB V) in Verbindung mit Paragraf 76 SGB V und Paragraf 613 Bürgerliches Gesetzbuch ergebe.
Die SchönKlinik erklärt auf Nachfrage des Deutschen Ärzteblatts (DÄ), dass die „von der KV Hamburg bemängelten Punkte in absehbarer Zeit behoben sein werden“. Ab dem 1. Juli sollen „sukzessive neue Verträge mit den Krankenkassen aufgesetzt werden, bei denen sich auch die formale Einbindung in unser Versorgungsmodell ändert“.
Damit die Erstgesprächstätigkeit den rechtlichen Anforderungen entspreche, sollen die Psychotherapeuten dann „über eine gesonderte Teilnahmeerklärung dem Vertrag mit der jeweiligen Krankenkasse beitreten“.
Fragmentierung psychotherapeutischer Prozesse
Die Deutsche Psychotherapeutenvereinigung (DPtV) sieht das Geschäftsmodell von MindDoc ebenso kritisch. Es sei möglich, dass das Konstrukt eine Lücke in der Musterberufsordnung nutze.
„Das prüfen wir derzeit“, sagt Gebhard Hentschel, Bundesvorsitzender der DPtV gegenüber dem DÄ. „Davon abgesehen, sehen wir aber grundsätzlich eine Gefahr in psychotherapeutischen Videositzungen durch kommerzielle Anbieter.“ Anstelle einer kontinuierlichen, vertrauensvollen Behandlung durch einen Therapeuten komme es in diesen Modellen zu einer Fragmentierung psychotherapeutischer Prozesse.
„Aus unserer Sicht ist es wichtig, dass Indikationsstellung, Behandlungsplanung und die anschließende Psychotherapie durch gut ausgebildete Psychotherapeuten in personeller Kontinuität erbracht werden. Wir kritisieren, dass Versorgungsformen wie MindDoc schon jetzt in Selektivverträgen propagiert werden“, sagt der DPtV-Vorsitzende.
Diskutieren Sie mit
Werden Sie Teil der Community des Deutschen Ärzteblattes und tauschen Sie sich mit unseren Autoren und anderen Lesern aus. Unser Kommentarbereich ist ausschließlich Ärztinnen und Ärzten vorbehalten.
Anmelden und Kommentar schreiben
Bitte beachten Sie unsere Richtlinien. Der Kommentarbereich wird von uns moderiert.
Diskutieren Sie mit: