Lähmungsfälle bei Kindern in Kalifornien: Kein Polio
San Francisco – Polio ist nicht die einzige Viruserkrankung, die das Rückenmark schädigen und dauerhafte Lähmungen verursachen kann. In Kalifornien sind innerhalb eines Jahres fünf Kinder an schlaffen Lähmungen erkrankt, bei denen eine Poliomyelitis und neurologische Ursachen ausgeschlossen werden konnten. Bei zwei Kindern wurde laut einer Mitteilung der American Academy of Neurology eine Infektion mit Enterovirus 68 nachgewiesen.
Angeregt durch Fallberichte haben die Neurologen Keith van Haren von der Stanford Universität und Emanuelle Waubant von der Universität in San Francisco die Datenbank Neurologic and Surveillance Testing (NST) analysiert. Die NST wurde 2012 eingerichtet als Nachfolger des California Encephalitis Project, das seit 1998 Daten zu Enzephalitis-Erkrankungen gesammelt hatte.
Zwischen August 2012 und Juli 2013 wurden dem NST insgesamt 5 Fälle von schlaffen Lähmungen bei Kindern gemeldet, die eine oder mehrere Extremitäten betrafen. Ein Guillain-Barré Syndrom (eine vorübergehende Entzündung motorischer Nerven vermutlich autoimmuner Genese) und ein Botulismus konnten als Ursache ausgeschlossen werden, ebenso eine Poliomyelitis. Alle Kinder waren ausreichend gegen Polio geimpft.
Die fünf Kinder, deren Kasuistiken die Neurologen auf der kommenden Jahrestagung der American Academy of Neurology Ende April vorstellen wollen, sollen sich auch sechs Monate nach Beginn der Erkrankung nicht von ihren motorischen Ausfällen erholt haben. Bei zwei Kindern wurde schließlich eine Infektion mit dem Enterovirus 68 nachgewiesen.
Das Enterovirus 68 wurde erstmals 1962 bei vier Kindern in Kalifornien entdeckt. Zwischen 1970 und 2005 wurde es in den USA gerade einmal 26 Mal nachgewiesen. Seither hat die Zahl der nachgewiesenen Fälle deutlich zugenommen. Experten rätseln darüber, ob es sich um einen echten Anstieg handelt oder ob die Zunahme allein auf den leichteren Nachweis mit der Polymerasekettenreaktion zurückzuführen ist.
Infektionen mit Enterovirus 68 wurden bisher nur mit Atemwegsinfektionen in Verbindung gebracht. Seit einigen Jahren gibt es laut Waubant aus Asien und Australien jedoch Berichte über polio-artige Verlaufsformen. Ob diese auf Veränderungen des Virus zurückzuführen sind, ist unklar. Das Enterovirus 68 ist nur entfernt mit dem Poliovirus verwandt.
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