Latrepirdin verbessert Kognition bei Huntington
Rochester – Für die kognitiven Störungen, die häufig bereits im Frühstadium der Huntington-Erkrankungen (HD) bestehen, deutet sich erstmals eine spezifische Therapie an. In einer kleinen randomisierten Studie in den Archives of Neurology (2010; 67: 154-160) hat der Wirkstoff Latrepirdin die Ergebnisse im Mini-Mental-Status Test (MMSE) verbessert.
Latrepirdin ist ein synthetisches Molekül, das ursprünglich zur Behandlung von allergischen Erkrankungen entwickelt wurde. In Russland ist es seit 1983 als „Antihistaminikum“ im Einsatz. In westlichen Ländern ist es unbekannt. Vor einigen Jahren wurde entdeckt, dass Latrepirdin in der Zelle die Membranen der Mitochondrien stabilisiert und dadurch vermutlich die Energieversorgung sichert.
Dies könnte bei neurodegenerativen Erkrankungen wie dem Morbus Alzheimer und der HD ein sinnvoller Therapieansatz sein, da es hier zu einem allmählichen Untergang der Hirnzellen kommt; beim Morbus Alzheimer ausgelöst durch die Akkumulation von Beta-Amyloiden, beim HD durch die toxische Wirkung des infolge eines Genfehlers in seinem Aufbau veränderten Proteins Huntingtin.
Eine randomisierte Studie an Alzheimer-Patienten mit leichten bis mittelschweren kognitiven Einbußen (MMSE 10 bis 24) hat bereits gezeigt, dass Latrepirdin die kognitiven Störungen – wenigstens vorübergehend – mildert.
Auf der Alzheimer's disease cognitive assessment scale, abgekürzt ADAS-Cog kam es zu einer Verbesserung um circa 2 Punkte, während es im Placebo-Arm zum erwarteten Abfall um 2 Punkte kam. Der Unterschied war damit mindestens so groß wie bei den zugelassenen Antidementiva (Lancet 2008; 372: 207-215).
Auch bei der HD wird durch Latrepirdin eine Wirkung erzielt, wie die Studie von Karl Kieburtz von der Universität Rochester im Bundesstaat New York zeigt. An 17 Zentren in den USA und in Großbritannien waren 46 Patienten auf eine Therapie mit Latrepirdin (dreimal 20 mg pro Tag) und 45 Patienten auf Placebo randomisiert worden.
Auf eine 90-tägige Therapie folgte eine 14-tägige Nachbeobachtung zur Ermittlung etwaiger Nachwirkungen des Medikaments. Dies war indes nicht der Fall. Die meisten Patienten vertrugen den Wirkstoff gut, wie Kieburtz und die Huntington Study Group berichten. Die häufigsten Nebenwirkungen waren Kopfschmerzen (15 vs. 7 Prozent unter Placebo) und eine Schläfrigkeit (7 vs. 2 Prozent), die allerdings selten zum Abbruch der Therapie führten.
Die Wirksamkeit war geringer als in der Alzheimerstudie, was aber an der kürzeren Therapiedauer (90 Tage statt 26 Wochen) und den geringen kognitiven Ausfällen gelegen haben dürfte (Mini-Mental State examination, MMSE, 25 statt 18 in der Alzheimerstudie).
Es wurde eine geringgradige Verbesserung des MMSE um 0,86 Punkte gegenüber einem Abfall von 0,12 im Placebo-Arm erzielt. Bei Patienten mit einem geringen Ausgangs-MMSE soll sich der MMSE sogar um 1,9 Punkte verbessert haben.
Im ADAS-Cog und in der krankheitsspezifischen Huntington's Disease Rating Scale (UHDRS) kam es zu keinen Verbesserungen. Der Hersteller Medivation Inc. aus San Francisco führt derzeit mehrere größere Studien durch. Mit ersten Ergebnissen wird noch in diesem Halbjahr gerechnet.
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