Politik

Leitlinien: Ärzte brauchen Freiräume für die Umsetzung

  • Donnerstag, 23. August 2012

Berlin – Mangelnde Zeit und fehlende Strukturen sind die größten Probleme bei der Umsetzung von Leitlinien im Praxisalltag. Dies haben Vertreter der Selbstverwaltungs­organisationen, Krankenkassen und weitere Experten am Mittwoch im Rahmen einer Podiumsdiskussion zum Thema „Leitlinien: Hoffnungsträger für das Deutsche Gesundheitssystem?“ festgestellt.

„Wenn Sie sich die zehn Nationalen Versorgungsleitlinien anschauen, dann sind das mehr als 1.000 Seiten. Die muss ein Arzt erst mal lesen und dann auch noch in seinen Praxisalltag integrieren“, erklärte Frank Ulrich Montgomery, Präsident der Bundesärzte­kammer, auf der Guidelines-International-Network-Konferenz in Berlin. „Wenn man Tag und Nacht in der medizi­nischen Versorgung steht, ist das schon ein großer Happen, der umgesetzt werden muss.“

Monika Mund von der Kassenärztlichen Bundesvereinigung sprach sich für alltags­taug­liche Leitlinienempfehlungen aus. „Es ist nicht damit getan, dass ich einem multimorbiden Patienten fünf leitliniengerechte Medikamente verschreiben. Ich muss ihn auch moti­vieren, diese regelmäßig zu nehmen.“ In den Praxen müssten auch entsprechende Strukturen vorhanden sein.

Ein regelmäßiger Austausch der Ärzte über den praxisnahen Umgang mit Leitlinien sei deshalb notwendig. „Dazu müssen wir ihnen aber auch die Freiräume schaffen“, sagte Mund. „Über 80.000 Ärzte nehmen an Qualitätszirkeln teil. Diese müssen aber auch entsprechend organisiert und bezahlt werden.“

Trotz dieser praktischen Probleme war sich das Plenum einig, dass Leitlinien ein wichtiger Baustein seien, um die Versorgung zu verbessern. „Sie sind ein hilfreiches Element, um Ärzten Informationen an die Hand zu geben, die der Einzelne in der Fülle medizinischer Publikationen heute nicht mehr selbst zusammensuchen kann“, erklärte Nicole Schlottmann, Geschäftsführerin bei der Deutschen Krankenhausgesellschaft.

Die Arbeitsgemeinschaft der Wissenschaftlichen Medizinischen Fachgesellschaften (AWMF) bietet derzeit mehr als 700 Leitlinien an. Wie diese interpretiert und umgesetzt werden könnten, lernten Ärzte jedoch in ihrer Aus- und Weiterbildung nicht, stellte Martin Fischer, Vorsitzender der Gesellschaft für Medizinische Ausbildung, fest: „Was fehlt ist eine wissenschaftliche Ausbildung der Studenten.“ Doch bestehe nicht nur ein Problem dabei, das Wissen zu vermitteln. „Wir wissen auch nicht genau, was von den Leitlinien in der Versorgung ankommt.“ Hierzu sei verstärkt Versorgungsforschung notwendig, betonte Fischer.

mei

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