Leukämie-Gen verursacht kindliche Entwicklungsstörungen
London – Ein Gen, das häufig bei der im Alter auftretenden akuten myeloischen Leukämie mutiert ist, kann bei Kindern zu einem ungewöhnlichen Körperwachstum führen, das zusammen mit einer verminderten Intelligenz und einer charakteristischen Gesichtsform Teil eines „DNMT3A overgrowth syndrome“ ist, das britische Forscher in Nature Genetics (2014; doi: 10.1038/ng.2917) vorstellen.
Genetiker erwarten, dass die Fortschritte der Genomanalyse in den nächsten Jahren die Ursache vieler genetischer Syndrome aufklären wird. Sie wird vermutlich auch zur Entdeckung neuer Syndrome führen, die nicht auf den ersten Blick als genetische Erkrankungen erkennbar sind. Verdächtig auf ein Syndrom ist beispielsweise ein übermäßiges Wachstum der Kinder, vor allem wenn es mit einer verminderten Intelligenz einhergeht.
In der Childhood Overgrowth Study (COG) versucht das Team um Nazneen Rahman vom Institute of Cancer Research in London, diesen Störungen auf den Grund zu gehen indem es das Exom, also den gesamten protein-kodierenden Anteil des Erbguts, bei den betroffenen Kindern und den beiden Elternteilen verglich. Bei einer somatischen Mutation sind die Chancen dann hoch, den entscheidenden Unterschied zwischen dem Erbgut der Eltern und dem der Kinder zu finden.
Bei der Trio-Sequenzierung in zehn Familien stießen die britischen Forscher gleich zweimal auf Mutationen im gleichen Gen. Sie scannten daraufhin das Gen bei 142 weiteren Familien mit einem großwüchsigen Kind und eingeschränkter Intelligenz, was elf weitere Fälle ans Licht brachte. Alle hatten Mutationen im sogenannten DNMT3A-Gen. Es kodiert ein Enzym, das bestimmte Abschnitte der DNA mit Methyl-Gruppen besetzt. Diese DNA-Methylierung beeinflusst, ob ein Gen abgelesen werden kann oder nicht.
Gründe für das vermehrte Wachstum unklar
Wie dies das vermehrte Wachstum der Kinder erklärt, ist unklar. Die Kinder lagen nicht nur in der Körpergröße 1,9 bis 4,2 Standardabweichungen über dem Altersdurchschnitt. Auch der Kopfumfang war häufig deutlich vergrößert. Die Intelligenz war jedoch bei allen Kindern eingeschränkt. Ein weiteres Kennzeichen des „DNMT3A overgrowth syndrome“ war eine runde Gesichtsform mit ausgeprägten horizontalen Augenbrauen und engen Lidspalten. Einige hatten weitere angeborene Störungen wie Vorhofseptumdefekt oder Skoliose.
Interessanterweise werden ähnliche Gendefekte auch bei einem Drittel der Patienten mit akuter myeloischer Leukämie in den Krebszellen gefunden. Auch beim myelodysplastischen Syndrom wurden sie nachgewiesen. Beide Malignome treten typischerweise im höheren Lebensalter auf. Experten vermuten, dass der Gendefekt die Proliferation der Leukämiezellen vorantreibt. Keiner der Patienten (Kinder und Jugendliche im Alter bis 20 Jahre) mit dem „DNMT3A overgrowth syndrome“ hat bisher Zeichen einer hämatologischen Erkrankung.
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