Long COVID: Psychische Störungen halten nach schweren Erkrankungen länger an

Reykjavik – Die meisten Patienten mit COVID-19 erholen sich in den ersten 2 Monaten von den psychischen Folgen der Erkrankung. Viele Patienten, die länger als 1 Woche bettlägerig waren, klagten nach den Ergebnissen aus 6 Kohortenstudien aus 6 Ländern in Lancet Public Health (2022; DOI: 10.1016/ S2468-2667(22)00042-1) jedoch auch nach 16 Monaten noch über Depressionen und Ängste.
Noch ist unklar, welche langfristigen Folgen COVID-19 für die Psyche der Erkrankten hat. Neben direkten Auswirkungen, die sich aus einer Begleiterkrankung des Gehirns ergeben könnten, dürften auch die Verunsicherungen, die der unbekannte weitere Verlauf der Pandemie auslöst und die sich aus den Einschränkungen des täglichen Lebens ergeben, nicht folgenlos bleiben.
Das COVIDMENT-Projekt hat dazu 247.249 Teilnehmer aus 7 prospektiven Kohortenstudien befragt, die in Dänemark, Estland, Großbritannien, Island, Norwegen und Schweden zu COVID-19 oder anderen Fragestellungen durchgeführt werden.
Wie das Team um Unnur Anna Valdimarsdóttir von der Universität in Reykjavik berichtet, ist es bei den 9.979 Teilnehmern (4,0 %), die bisher positiv auf COVID-19 getestet wurden, tatsächlich häufiger zu psychischen Problemen gekommen.
Die COVID-19-Patienten klagten zu 20,2 % über Depressionen gegenüber über 11,3 % der Studienteilnehmer ohne COVID-19. Screeninginstrumente waren hier der „Patient Health Questionnaire“ oder mehr Punkten oder die „Emotional State Questionnaire Depression subscale“ EST-Q2.
Schlafstörungen, gemessen mit der „EST-Q2 Insomnia Subscale 17“ oder dem „Pittsburgh Sleep Quality Index“, waren mit einer Prävalenz von 29,4 % gegenüber 23,8 % ebenfalls häufiger. Valdimarsdóttir und Mitarbeiter ermitteln eine adjustierte relative Prävalenz (PR) von 1,18 (95-%-Konfidenzintervall 1,03 bis 1,36) für Depressionen und 1,13 (1,03-1,24) für Schlafstörungen.
Angststörungen (PR 0,97; 0,91-1,03) und ein COVID-19-bedingter Stress (PR 1,05; 0,93-1,20), wurden dagegen nicht häufiger beobachtet als bei den Personen ohne COVID-19.
Die Forscher hatten vor der Studie vermutet, dass Personen mit schweren Erkrankungen häufiger unter psychischen Störungen leiden, dass sie sich aber mit der Zeit erholen.
Die 1. Annahme bestätigte sich: Teilnehmer, die wegen ihrer COVID-19-Erkrankung 7 Tage oder länger bettlägerig waren, litten deutlich häufiger unter Depressionen (PR 1,61: 1,27-2,05) und Schlafstörungen (PR 1,41; 1,24-1,61). Auch Angstzustände (PR 1,43; 1,26-1,63) waren bei ihnen signifikant häufiger, während beim COVID-19-bedingten Distress (PR 1,41; 0,96-2,06) das Signifikanzniveau nicht erreicht wurde.
Die meisten Patienten erholten sich mit der Zeit von den psychischen Folgen. Depressionen und COVID-19-bedingter Distress traten nach 2 Monaten nicht mehr signifikant häufiger auf, während dieser Trend für Angstzustände und Schlafstörungen nicht sicher nachweisbar war.
Eine Ausnahme bildeten die Patienten, die wegen COVID-19 länger als 7 Tage im Bett verbracht hatten. Diese klagten auch 6 bis 16 Monate später häufiger über Depressionen (PR 1,60: 1,17-2,81) und Angstzustände (PR 1,47; 1,19-1,81). Auch Schlafstörungen traten in dieser Gruppe noch häufiger auf (PR 1,26; 0,90-1,77), während sich der COVID-19-bedingte Distress deutlich zurückgebildet hatte (PR 1,01; 0,52-1,96).
Diskutieren Sie mit
Werden Sie Teil der Community des Deutschen Ärzteblattes und tauschen Sie sich mit unseren Autoren und anderen Lesern aus. Unser Kommentarbereich ist ausschließlich Ärztinnen und Ärzten vorbehalten.
Anmelden und Kommentar schreiben
Bitte beachten Sie unsere Richtlinien. Der Kommentarbereich wird von uns moderiert.
Diskutieren Sie mit: