Lumbalgie: Kernspin sieht Chronifizierung im Gehirn vorher

Chicago – Ob eine akute Lumbalgie der Beginn von chronischen Rückenschmerzen ist, entscheidet sich möglicherweise im Gehirn. US-Forscher berichten in Pain (2013; doi: 10.1016/j.pain.2013.06.044), dass sie die Chronifizierungstendenz in vier von fünf Fällen anhand einer Diffusions-Tensor-Bildgebung vorhersagen konnten.
Die Diffusions-Tensor-Bildgebung (DTI) ist eine Variante der Kernspintomographie (MRT). Sie misst die Diffusionsbewegung von Wassermolekülen, die im Gehirn durch die Zellmembranen von Hirnzellen behindert wird. Eine Software errechnet daraus die Stärke (fraktionale Anisotropie) und den Verlauf (Traktographie) der Nervenfasern im Gehirn. Beides liefert möglicherweise Hinweise darauf, wie das Gehirn auf Schmerzen reagiert, behauptet jedenfalls Vania Apkarian von der Feinberg School of Medicine in Chicago.
Der Hirnforscher ist davon überzeugt, dass das Gehirn darüber mitentscheidet, ob Schmerzen chronisch werden. Im letzten Jahr konnte Apkarian bereits zeigen, dass es bei Patienten mit chronischen Rückenschmerzen im Verlauf der Zeit zu einem Rückgang der grauen Hirnsubstanz in der Insula und im Nucleus accumbens kommt.
Der Befund ist plausibel, da die Insula an der Wahrnehmung von Schmerzen und der Nucleus accumbens an der emotionalen Bewertung beteiligt ist. Apkarian vermutete damals, eine falsche Bewertung der Schmerzen in diesen Regionen könnte zu einem Lerneffekt führen, der der Chronifizierung zugrunde liegt (Nature Neuroscience 2012; 15: 1117–1119).
In der aktuellen Studie geht der Forscher einen Schritt weiter. Seiner Ansicht nach ist es schon beim Schmerzbeginn in der Hardware des Gehirns festgelegt, ob die Patienten sich von der Lumbalgie erholen werden oder es zu chronischen Rückenschmerzen kommt. Dies konnte Apkarian in seiner Studie an 24 Patienten bereits in der akuten Schmerzphase an der Veränderung der fraktionalen Anisotropie erkennen.
Um einen Zufallsbefund auszuschließen, überprüfte der Forscher die Ergebnisse in einer zweiten Kohorte mit 22 Patienten, die wie die erste über ein Jahr nachbeobachtet wurde. Wieder zeigte die fraktionale Anisotropie recht zuverlässig an, ob die Schmerzen abklingen oder chronifizieren. Apkarian ist eine Vorhersage in vier von fünf Fällen möglich.
Apkarian identifizierte erneut den Nucleus accumbens und den medialen präfrontalen Cortex als die Orte, die für die Verarbeitung der Schmerzen zuständig sind. Die Traktographie zeigte, dass die Verbindungen zwischen den beiden Zentren bei Patienten, die zur Chronifizierung neigen, anders „gestrickt“ sind als bei Patienten, die die Schmerzen schneller verarbeiten. Worin die Unterschiede bestehen, kann die Studie nicht klären.
Mit insgesamt weniger als 50 Patienten kann sie schwerlich eine klinische Relevanz für sich beanspruchen. Ob die MRT genutzt werden könnte, um eine Tendenz zur Chronifizierung frühzeitig zu erkennen, müssten größere Studien zeigen. Sinnvoll wäre diese Untersuchung nur, wenn es Medikamente oder Psychotherapien gäbe, mit denen die Chronifizierung effektiv verhindert werden könnte.
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