Medizin

Lungenkrebs: Kosteneffektivität für CT-Früherkennung grenzwertig

  • Dienstag, 11. November 2014
Uploaded: 11.11.2014 19:16:15 by mis
dpa

Lebanon – Nicht zuletzt aufgrund der häufigen Nachuntersuchungen ist die Früher­kennung von Lungenkrebs mittels Computertomographie (CT) umstritten. Autoren des US-National Lung Screening Trial (NLST) halten das Screening in einer Studie im New England Journal of Medicine (2014; 371: 1793-1802) jedoch für kosteneffektiv.

Als die Autoren des NLST ihre Ergebnisse vor vier Jahren vorstellten, waren die Reaktionen verhalten. Das Projekt des US-National Cancer Institute hatte zwischen 2002 und 2009 mehr als 53.000 starke Raucher – mindestens 30 Packungsjahre und weniger als 15 Jahre seit eines etwaigen Rauchstopp –  im Alter zwischen 55 und 74 Jahren untersucht. In jährlichen Abständen waren insgesamt drei CT mit niedriger Strahlen­belastung durchgeführt worden.

Die Ergebnisse waren signifikant, aber in ihrer klinischen Relevanz grenzwertig: Die Krebssterblichkeit wurde gegenüber eines Röntgenthorax (der als unwirksam einge­schätzt wird) von 309 auf 247 Todesfälle pro 100.000 Patienten und Jahr) oder um etwa 20 Prozent gesenkt. In absoluten Zahlen sind das etwa 3 Todesfälle weniger auf 1.000 Hochrisiko-Personen. Nur langsam haben (nicht alle) US-Fachgesellschaften die Ergebnisse in Empfehlungen umgesetzt.

Die American Association for Thoracic Surgery und die American Lung Association empfehlen das Screening. Die American Cancer Society meint, man sollte mit den Patienten darüber reden, während die American Academy of Family Physicians den Wert für nicht belegt hält. Ein Nachteil ist die hohe Rate von falsch-positiven Ergebnissen: In den drei Screening-Runden kam es bei mehr als jedem dritten Teilnehmer zu mindestens einem positiven Befund, der dann zu 95 Prozent in Nachuntersuchungen nicht bestätigt wurde. Neben einer erneuten Bildgebung wurden eine Nadelbiopsie (2 Prozent), Bronchoskopie (4 Prozent) oder eine Operation (4 Prozent) notwendig.

Die Kosten der Screenings waren hoch. William Black von der Geisel School of Medicine in Lebanon/New Hampshire und Mitarbeiter beziffern sie jetzt auf 3.074 US-Dollar pro Patient. In dieser Zahl sind neben den 1.130 US-Dollar für das eigentliche CT-Screening 835 US-Dollar für das medizinische „Workup“ (Arztkosten) und 1.106 für die Behandlung der entdeckten Tumore (plus 3 US-Dollar für vereinzelte durch das CT induzierte Tumore) enthalten.

Bei einem Verzicht auf das Screening wären durch symptomatische Krebserkrankungen und „Workup“ 1.443 US-Dollar an Kosten angefallen. Dies ergibt in der Differenz „Netto“-Kosten für das Screening von 1.631 US-Dollar pro Patient. Wenn diese mit dem Gewinn von durchschnittlich 0,0316 zusätzliche Lebensjahre pro Person verrechnet werden, ergibt dies eine ICER („Incremental Cost-Effectiveness Ratio“) von 52.000 US-Dollar pro gewonnenem Lebensjahr. Bei einer Verrechnung mit 0,0201 qualitätskorrigierten Lebensjahren (QALY) sind es 81.000 US-Dollar pro QALY.

Ob das Screening bei diesen Kosten ökonomisch vertretbar ist, bleibt letztlich Ansichtssache. In Europa wird die "Vernunftsgrenze" häufig bei 50.000 Euro gesetzt. Den US-Experten ist ein zusätzliches Lebensjahr 100.000 US-Dollar wert.

Die Kosteneffektivät hängt sehr stark von einer Reihe von Grundannahmen ab, was die Übertragbarkeit auf Europa einschränkt. Wenn für eine CT-Aufnahme 100 US-Dollar abgerechnet werden, betragen die Kosten pro QALY 56.000 US-Dollar. Bei einem Preis von 500 US-Dollar pro CT-Aufnahme steigen sie auf 110.000 US-Dollar. Auch die Kosten der Operation lassen die Kosteneffektivität zwischen 78.000 und 110.000 US-Dollar schwanken.

Alle diese Berechnungen gelten nur für die Gruppe der Hoch-Risiko-Patienten, die aufgrund des exzessiven Tabakkonsums ein hohes Ausgangsrisiko auf einen Lungenkrebs haben. Für Raucher mit weniger Packungs-Jahren dürfte die Kosteneffektivität des Lungenkrebsscreenings ungünstiger ausfallen.

rme

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