Medizin

Mäusemodell: Losartan vorteilhaft bei Marfan-Syndrom und Duchenne Muskeldystrophie

  • Montag, 5. Februar 2007

Baltimore - Das Antihypertonikum Losartan inhibiert den Transforming growth factor (TGF)-beta, was nach tierexperimentellen Studien in Nature Medicine (2007; doi:10.1038/nm1536) das Fortschreiten der Muskelschwäche beim Marfan-Syndroms und bei der Muskeldystrophie vom Typ Duchenne bremste. Erste klinische Studien sollen in Kürze beginnen.

Ergebnisse von tierexperimentellen Studien sind immer vorsichtig zu bewerten. Das gilt auch für den ungewöhnlichen Therapieansatz, den Harry Dietz von der Johns Hopkins Universität in Baltimore im letzten Jahr zunächst für die Behandlung des Marfan-Syndroms vorschlug. Dietz, der 1991 Mutationen im Fibrillin-1-Gen als Ursache des Marfan-Syndroms erkannte, hatte im letzten Jahr in Science (2006: 312: 117-21) berichtet, dass die Behandlung mit Losartan einem Aortenaneurysma vorbeugen kann, einer häufigen und lebensgefährlichen Komplikation beim Marfan-Syndrom. Dietz hatte diese Wirkung in einem Mäusemodell des Marfan-Syndroms beobachtet. Der Effekt soll so durchschlagend gewesen sein, dass Beobachter von einem Durchbruch in der Betreuung von Menschen mit Marfan-Syndrom sprachen.

Für den Herbst wurde der Beginn einer klinischen Studie angekündigt, der, wie aus der jetzigen Pressemitteilung hervorgeht, noch immer auf sich warten lässt. Jetzt wird der Start „für die nächsten Wochen“ angekündigt. Ohne die klinische Studie wird man allerdings den Wert der Therapie kaum abschätzen können, auch wenn es sich um ein bewährtes und bei der Hypertonie als gut verträglich eingestuftes Medikament wie den Angiotensinrezeptorantagonisten Losartan handelt.

Losartan kann TGF-beta binden. Dieses Zytokin wird beim Marfan-Syndrom im Muskelgewebe vermehrt freigesetzt – der Grund nicht ganz klar. Dietz vermutet, dass die Mutation die Bindungsfähigkeit von TGF-beta an Fibrillin herabsetzt. Die Folge ist eine erhöhte Konzentration von freiem TGF-beta im Muskelgewebe, was die Reparaturvorgänge behindern soll. Normalerweise kommt es nach einer Muskelschädigung zur Proliferation von Myoblasten, aus denen neue Muskelfasern entstehen. TGF-beta, ein bekannter Inhibitor von Myoblasten, verhindert dies. Statt neuer Muskelzellen entsteht ein insuffizientes Bindegewebe, das die Aorta schwächt, sodass es unter den dort einwirkenden starken Blutdruckschwankungen schließlich zur Bildung von Aneurysmen kommt.

Doch nicht nur die glatte Muskulatur in den Blutgefäßen wird geschädigt. Auch die quergestreifte Skelettmuskulatur wird durch ein Überangebot von TGF-beta in Mitleidenschaft gezogen, wie die Arbeitsgruppe von Dietz zunächst ebenfalls an ihrem Mäusemodell des Marfan-Syndroms zeigte. TGF-beta hemmte hier die Regenerationsfähigkeit der Muskulatur, was durch eine Behandlung mit einem TGF-beta neutralisierenden Antikörper – oder aber mit Losartan – verhindert werden kann.

Frühere Studien hatten gezeigt, dass auch bei der Muskeldystrophie vom Duchenne-Typ (DMD) die Regenerationsfähigkeit der Muskelzellen herabgesetzt ist, weshalb das Muskelgewebe nach und nach durch Narbengewebe ersetzt wird. Die US-Forscher wiederholten deshalb ihre Experimente an einem Mäusemodell der DMD. Ihre Vermutung sollte sich bestätigen. Auch bei der DMD scheint eine exzessive Bildung von TGF-beta die Regeneration des Muskels nach Verletzungen zu behindern. Wenn die Forscher die Tiere mit Losartan behandelten, gewannen die Tiere die Regenerationsfähigkeit zurück. Wurden die Mäuse dauerhaft mit Losartan behandelt, kam es zu einer deutlichen Abschwächung im Verlauf der Erkrankung, heißt es in der Pressemitteilung des US-National Institute of Neurological Disorders and Stroke (NINDS).

Wenn diese Befunde auf den Menschen übertragbar wären, dann wäre dies für die betroffenen Menschen mit DMD von größter Bedeutung. Denn bisher gibt es hier keine befriedigende Behandlungsmöglichkeit. Die Patienten werden langfristig mit Steroiden behandelt, was bei vielen Patienten zwar mit einer Verbesserung der Muskelfunktion verbunden ist, aber auch die bekannten Nachteile einer langfristigen Kortisongabe hat.

Das NINDS kündigt deshalb eine weitere Studie an, die den Einsatz von Losartan bei der DMD evaluieren soll. Eine rasche Durchführung der Studie wäre wünschenswert, da die jetzige Publikation sicherlich zu einem Off-label-Einsatz von Losartan bei der DMD führen wird, wie Pat Furlong vom Parent Project Muscular Dystrophy, einer US-Elterninitiative, vermutet. Es dürfte in der Tat schwer werden, Eltern von der Notwendigkeit einer randomisierten kontrollierten Studie zu überzeugen, bei der die Kinder Gefahr laufen, ein Placebo zu erhalten. Doch ohne eine derartige Studie kann man Nutzen und Risiken von Losartan bei der DMD kaum abschätzen. © rme/aerzteblatt.de

rme

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