Medizin

Mangelernährung: Warum Antibiotika helfen

  • Dienstag, 4. August 2015
Uploaded: 04.08.2015 18:37:18 by mis
dpa

Vancouver – Die „tropische“ Enteropathie, die die Ernährungstherapie von unterernährten Kindern in den Entwicklungsländern kompliziert, ist nicht allein auf den Mangel an Nährstoffen zurückzuführen. Tierexperimentelle Studien in Nature Communications (2015; doi: 10.1038/ncomms8806) zeigen, dass es – begünstigt durch die schlechten sanitären Verhältnisse schon bald nach der Geburt – zu einer Besiedlung des Darms mit pathogenen Keimen kommt, die am besten durch eine Antibiotika-Behandlung beseitigt werden.

Eine chronische Unterernährung ist global gesehen noch immer für ein Fünftel aller Todesfälle in den ersten fünf Lebensjahren verantwortlich. Entwicklungshelfer haben früh die Erfahrung gemacht, dass es nicht ausreicht, das Kaloriendefizit durch „energiedichte“ Nahrungsmittel auszugleichen. Die Kinder werden heute langsam „aufgepäppelt“: Mittel der Wahl ist ein „Ready-to-Use Therapeutic Food“, bestehend aus Erdnusspaste, Milchpulver, Öl, Zucker, angereichert mit Vitaminen und Spuren­elementen. Doch auch unter dieser Therapie sterben 5 bis 10 Prozent der mangelernährten Kinder unter den Händen der Entwicklungshelfer.

Vor zwei Jahren zeigte eine in Malawi durchgeführte Studie, dass eine kurzfristige Antibiotikatherapie das Sterberisiko signifikant senkt. Die überlebenden Kinder gewannen außerdem rascher an Gewicht. Ein Forscherteam um Brett Finlay von der Universität von British Columbia in Vancouver hat jetzt an Mäusen eine Erklärung für diese damals überraschenden Ergebnisse gefunden.

Eine Mangelernährung nach der Geburt löste bei den Mäusen die gleichen Darmverän­derungen aus, wie sie bei den unterernährten Kindern beobachtet werden und die als „tropische“ oder besser als umweltbedingte Enteropathie bezeichnet werden: Im Darm kommt es zu einer chronischen Entzündung, die mit einem Verlust der Zotten und einer Vergrößerung der Krypten einhergeht. Die Permeabilität des Darms ist erhöht und die Resorption (vergleichbar mit der Zöliakie) empfindlich gestört. In dieser Situation passiert eine hochkalorische Nahrung den Dünndarm unverändert und löst dann im Dickdarm möglicherweise noch eine Diarrhö aus, die die Abwehrkräfte der Kinder weiter schwächt.

Finlay kann zeigen, dass die gleichen histologischen Veränderungen durch einen „Cocktail“ aus Bacteroides und E. coli ausgelöst werden. Diese „BG“-Exposition in der Frühphase führte zu einer Veränderung der Darmflora, die bereits in früheren Untersuchungen aufgefallen war. Finlay vermutet, dass die Kinder infolge der schlechten hygienischen Verhältnisse die fäkalen Bakterien in den ersten Lebenswochen aufnehmen.

Die Bakterien allein konnten die umweltbedingte Enteropathie jedoch nicht auslösen. Erst wenn die Tiere mehrere Wochen mangelernährt waren, kam es zur Störung der Darmflora und der dadurch ausgelösten chronischen Entzündung des Dünndarms.

rme

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