Marihuana: US-Expertin warnt vor Gesundheitsschäden

Bethesda – Die Legalisierung von Cannabis hat im US-Staat Colorado die erwarteten Folgen gezeigt. Die Kleinkriminalität ist zurückgegangen, die Zahl der Verkehrsunfälle unter Marihuana-Einfluss steigt. Über die medizinischen Folgen macht sich die Leiterin des US-National Institute on Drug Abuse (NIDA) im New England Journal of Medicine (2014; 370: 2219-2227) überwiegend sorgenvolle Gedanken.
Für Marihuana und andere Cannaboide gibt es mehrere medizinische Indikationen. Die antiemetische Wirkung von Tetrahydrocannabinol (THC) wurde als erstes von Krebspatienten genutzt, um die Chemotherapie erträglicher zu gestalten. Diese Wirkung steht für NIDA-Direktorin Nora Volkow außer Zweifel, sie weist aber darauf hin, dass zu den paradoxen Wirkungen des wiederholten Cannabiskonsums auch eine verstärkte Übelkeit, die Hyperemesis gehört.
Als nächstes hatten sich HIV-Patienten für die Legalisierung von Cannabis eingesetzt. Die Wirkung gegen Anorexie und Wasting Syndrom wurde jedoch niemals rigoros in klinischen Studien untersucht, wendet Volkow ein. Durch die effektive HIV-Therapie hat der Gewichtsverlust an Bedeutung verloren. Gegen Schmerzen wird Marihuana seit Jahrhunderten eingesetzt und die Entdeckung der CB-Rezeptoren macht diese Wirkung plausibel. Auch eine antientzündliche Wirkung lässt sich laut Volkow aus dem Wirkungsmechanismus ableiten.
Die Pflanzenextraktmischung Nabiximol ist in mehreren Ländern zur Behandlung neuropathischer Schmerzen zugelassen. THC senkt auch den Augeninnendruck, doch für Glaukompatienten gibt es hier für Volkow effektivere Mittel. Die Frage, ob Marihuana die Anfallsfrequenz bei Epilepsie senkt, sei derzeit offen.
Diesen Vorteilen stehen eine Reihe von Nebenwirkungen gegenüber. Dazu gehören bei kurzfristigen Anwendungen Störungen des Kurzzeitgedächtnisses, der motorischen Koordinierung und für Volkow auch die Gefahr, durch ungeschützten Sex Krankheiten zu erwerben oder zu übertragen. Eine hohe Dosis könne bei den Konsumenten auch Wahnvorstellungen oder Psychosen auslösen.
Bei einem langfristigen Konsum sieht Volkow die Gefahr einer Abhängigkeit: Sie entwickele sich bei 9 Prozent aller Konsumenten, bei einem Beginn im Jugendalter sogar bei 17 Prozent, und bei täglichem Konsum würden 25 bis 50 Prozent abhängig. Volkow warnt vor einer Störung der Hirnentwicklung, die in tierexperimentellen Studien und mittels kerspintomografischer Aufnahmen vor allem bei Personen beobachtet wurden, die als Jugendliche mit dem Cannabiskonsum begonnen haben.
Für Volkow erklären diese Befunde die niedrigeren IQ-Quotienten, das schulische Scheitern und die verminderte Lebenszufriedenheit vieler jugendlicher Langzeitkonsumenten. Wenn Marihuana geraucht wird, schadet es der Lunge. Neben einer chronischen Bronchitis besteht laut Volkow prinzipiell auch ein erhöhtes Lungenkrebsrisiko.
Sorgen bereitet der NIDA-Leiterin, dass die THC-Konzentration der konfiszierten Drogen seit 1995 kontinuierlich von 4 auf 12 Prozent angestiegen ist. Zugenommen habe laut den Statistiken auch die Zahl der Personen, die nach einem Konsum als medizinischer Notfall behandelt wurden, wobei hier in den meisten Fällen ein Mischkonsum mit anderen Drogen vorlag.
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