Politik

Medico international sieht die humanitäre Hilfe an ihren Grenzen angelangt

  • Donnerstag, 28. Mai 2015

Berlin – Die krisenhaften Entwicklungen der Welt nehmen immer dramatischere Ausmaße an. „Die humanitäre Hilfe stößt an ihre Grenzen, ­ wir sehen einen wachsenden Bedarf und eine klaffende Lücke zu den zur Verfügung stehenden finanziellen Mittel“, sagte Thomas Gebauer, Geschäftsführer von medico international, bei der Jahres­pressekonferenz der sozialmedizinischen Hilfs- und Menschenrechtsorganisation am Mittwoch in Berlin. Die Ebola-Epidemie in Westafrika, der Gaza -Konflikt, der Krieg in Syrien mit inzwischen rund 12 Millionen Flüchtlingen seien Beispiele bei denen medico mit der Unterstützung lokaler Partner vor Ort aktiv ist.

„Hilfsorganisationen wie medico stärken die Selbsthilfe und Zivilgesellschaft vor Ort. Das ist wichtig, es geht aber nicht ohne die Hilfe der Politik. Wir brauchen größere Lö­sungen“, forderte Gebauer. Ebola habe sich beispielsweise nur in diesem Maße ausbreiten können, weil es kaum gesundheitliche Versorgung in den betroffenen Ländern gab. „Die Ebola-Epidemie ist erst vorbei, wenn es der internationalen Politik und der Weltgesundheitsorganisation (WHO) gelingt, Liberia und Sierra Leone darin zu unterstützen, nachhaltige Gesundheitssysteme aufzubauen“, so der medico-Geschäftsführer.

Über die nationalen Grenzen hinweg müssten Gelder bereitgestellt werden. Den Internationalen Währungsfonds und die Weltbank sieht Gebauer hier in der Pflicht. Die WHO müsse die Koordination übernehmen, forderte er. Die Bundesregierung habe gerade eine fünfprozentige Erhöhung der Pflichtbeiträge zur Finanzierung der WHO mitbeschlossen. „Das ist ein Schritt in die richtige Richtung, aber nicht genug“, sagte Gebauer.

Medico nutzt die noch vorhandenen lokalen Strukturen in Syrien
„Der Krieg in Syrien ist ohne Lösungsmöglichkeit ­ die alltägliche Katastrophe geht immer weiter“, sagte Martin Glasenapp, Referent von medico für den Nahen und Mittleren Osten. Medico sei eine der wenigen Hilfsorganiationen , die im kurdisch-syrischen Kobane  tätig seien und dort medizinische Hilfe leisteten . „Wir nutzen die lokalen Strukturen der Zivilgesellschaft, die noch vorhanden sind; Ärzte und Nachbarschafts­organisationen sind unsere Partner“, erläuterte Glasenapp. Lokale Akteure kennten sich am besten aus, oftmals ginge es aufgrund der Gefahrenlage auch gar nicht anders: „In Aleppo beispielsweise setzt der sogenannte Islamische Staat eine hohe Belohnung schon für den Hinweis auf ausländische Helfer aus“, berichtete er.

Humanitäre Hilfe in Gebieten, die vom IS kontrolliert werden, sei natürlich ein zwei­schneidiges Schwert, aber schließlich ginge es um das Überleben der Menschen dort, so Glasenapp. Der Nahost-Referent forderte die Bundesregierung auf, mehr Druck auf den Nato-Partner Türkei auszuüben, dass die Grenzen für Hilfe dort geöffnet würden, wo Menschen wieder ­ wie in Teilen der kurdischen Gebiete ­ in ihre Heimat zurückkehren könnten.

Die Ursachen für die Flucht in den Blick nehmen
Im Hinblick auf die Situation der 12 Millionen syrischen Flüchtlinge forderte medico die Bundesregierung auf, sich stärker zu engagieren. „Wenn ein kleines Land wie der Libanon zwei Millionen Flüchtlinge aufnehmen kann, sollte Deutschland viel mehr leisten können“, sagte Gebauer. Europa dürfe nicht einfach die Flucht bekämpfen, sondern müsse vielmehr auf die Ursachen von Flucht schauen. „Die syrischen Flüchtlinge, die es geschafft haben, nach 13 Grenzen mit Geheimdienstkontrollen das Mittelmeer zu erreichen, sagen, jetzt könne sie kein Boot mehr schrecken“, berichtete Glasenapp. Die Ursachen für die Flucht lägen in Syrien; die viel kritisierten Schlepper würden von den Betroffenen als Helfer wahrgenommen.

Das Spendenaufkommen von medico international sei im vergangenen Jahr um 14 Prozent auf 1,2 Millionen Euro gestiegen. Das sei aber kein Grund zur Freude, sondern der Ausdruck der vielen weltweiten Krisen, sagte Pressereferentin Katja Maurer.

pb

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