Medizin in Salvador/Bahia (Brasilien)
Salvador/Bahia ist in jedem Fall ein besonderer Ort. Mit 2,7 Millionen Einwohnern die größte Stadt im Nordosten Brasiliens, scheint sie vor allem in Gegensätzen und Widersprüchen zu existieren. Knapp 90 Prozent der Bevölkerung sind nach Jahrhunderten des Sklavenhandels mehr oder weniger afrikanischer Abstammung und Hautfarbe, die Stadt lebt von und mit afrikanischer Musik, Speisekarte und Religion, dem Candomblé. Es fällt schwer, von einer schönen Stadt im klassischen Sinne zu sprechen – die Architektur ist chaotisch, kulturelle Vielfalt eher Wunsch als Realität, das Alltagsbild geprägt von enormen sozialen Gegensätzen. Was diese Stadt so bemerkenswert macht, sind die Menschen: liebenswert, hilfsbereit und gut gelaunt. Die alten Hierarchien aber haben sich nicht verändert. Immer noch sind die herrschenden Klassen weißer Hautfarbe. In den prestigeträchtigen Kursen der Universitäten (Medizin, Jura, Architektur) ist jedenfalls fast kein Schwarzer zu finden. Im Fach Medizin sind an der hiesigen Universität derzeit 67,6 Prozent der Studenten Weiße, 26,4 Prozent sind Mestizen, 1,9 Prozent Indios und ebenfalls 1,9 Prozent Schwarz.
Über Medizin sprechen, heißt einmal mehr über den Gegensatz zwischen Arm und Reich sprechen, manifestiert in den Unterschieden zwischen öffentlichen und privaten Krankenhäusern und Krankenkassen, zwischen dem Soll-Zustand des brasilianischen Gesundheitssystems und der ernüchternden Realität. Das Medizinstudium dauert sechs Jahre. Wer in die staatlichen und somit kostenfreien Universitäten eintreten will, muss sich einem komplizierten Auswahlverfahren stellen, welches in aller Regel nur Kinder privilegierter Familien mit entsprechender (privater) Schulbildung bestehen, denn die Ausbildung in den öffentlichen Schulen ist miserabel. Alternativ gibt es einige private Fakultäten mit etwas leichterem Zugang, jedoch einer monatlichen Gebühr von umgerechnet rund 300 Euro, womit wiederum gesichert ist, dass das Studium einer Elite vorbehalten bleibt. Die universitäre Medizinerausbildung gleicht der deutschen. Wesentlicher Unterschied ist der Unterricht am Krankenbett ab dem zweiten Jahr. Die letzten beiden Jahre des Studiums entsprechen dem deutschen Praktischen Jahr, wobei allerdings der brasilianische Student integraler Bestandteil der öffentlichen Gesundheitsversorgung ist, unter steter Supervision Patienten betreut, Medikamente an- und absetzt und „seine“ Patienten während der Visiten repräsentiert. Des Weiteren belegen so gut wie alle Studenten jener klinischen Abschnitte freiwillig in ihrer Freizeit weitere Notdienste und Praktika, um sich umfassend zu bilden und die einzelnen Fächer gründlicher kennen zu lernen. Nach Abschluss des Studiums (meist im Alter von 23 Jahren) ist man berechtigt, ohne zusätzliche Weiterbildung den Arztberuf auszuüben.
Die Verantwortung für die Stationsarbeit liegt bei den residentes, welche sich im Anschluss an das Studium in zwei bis vier Jahren spezialisieren und somit den deutschen Assistenzärzten entsprechen – allerdings mit deutlich größerer Eigenverantwortung und weiterem Tätigkeitsspektrum. Die Wochenarbeitszeit eines residente liegt bei 60 Stunden, sie kann allerdings leicht auch 70 und mehr erreichen. Entlohnt wird dies in ganz Brasilien mit umgerechnet rund 500 Euro monatlich. Angesichts des brasilianischen Mindestlohns von rund 80 Euro kann ein allein stehender Arzt von einem solchen Gehalt durchaus leben. Allerdings sind die meisten residentes bereits verheiratet und haben Kinder, wodurch sich so mancher gezwungen sieht, weitere Notdienste oder Ähnliches zu verrichten, um sich und seine Familie auf entsprechendem Niveau zu unterhalten. Als Fachärzte arbeiten später die meisten ehemaligen residentes in zwei bis drei Krankenhäusern und versuchen, eine Praxis zu errichten, in der sie dann Privatpatienten betreuen und somit zum ersten mal in ihrer Karriere die Möglichkeit haben, größere Summen zu verdienen.
In den staatlichen Krankenhäusern herrscht ne
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