Medizin vor Ökonomie: Klinik-Codex als Rückhalt für Ärzte

Mannheim – „Der Patient ist kein Kunde, das Krankenhaus kein Wirtschaftsunternehmen“ – so äußerte sich Petra-Maria Schumm-Draeger unlängst mit anderen Vertretern der Deutschen Gesellschaft für Innere Medizin (DGIM) in einem programmatischen Artikel kritisch zum „Gewinnstreben in der Klinikmedizin“.
Als Präsidentin des 123. DGIM-Jahrestagung erhob sie diese Mahnung zu einem der Hauptprogrammpunkte ihres Kongresses. Ärzte gerieten immer mehr unter Druck, ihre Entscheidungen dem „betriebswirtschaftlichen Nutzen unterordnen zu müssen“, beklagte die DGIM-Vorsitzende auf der Eröffnungspressekonferenz in Mannheim. Mit einem „Ärzteklinik-Codex“ soll nun ein weiteres Instrument geschaffen werden, um sich gegen die unselige Entwicklung zu stemmen und der Medizin wieder den Vorrang vor der Ökonomie zu verschaffen.
Dieser Kodex soll eine Art Leitlinie im Stile der „Medical Corporate Governance“ werden, um zunächst im Kliniksektor der inzwischen von ökonomischen Leit- und Erfolgskriterien dominierten Medizin etwas entgegenzusetzen. Schumm-Dräger sprach von einem „Rückhalt“, den der neue „Klinik-Codex“ bieten solle, damit sich die Ärzte bei der stationären Versorgung wieder auf ihr ärztliches Handeln konzentrieren könnten. Der Codex wird seit September 2016 erarbeitet, im Rahmen von zwei Workshops wurden die entscheidenden Punkte Ende 2016 und Anfang 2017 diskutiert, derzeit befindet er sich in der redaktionellen Überarbeitung.
Diktat der Kommerzialisierung
Er soll in einer Langfassung und in Kurzfassung im Laufe der nächsten Wochen zu Papier gebracht werden, beteiligt sind zudem alle Schwerpunktgesellschaften der DGIM und auch andere Fachdisziplinen, etwa die Chirurgen. Der Codex soll nicht nur in medizinischen Fachabteilungen, Gesundheitseinrichtungen, bei den Fachgesellschaften, Berufsverbänden und der Ärzteschaft selbst vorgestellt werden. Auch die Gesundheitspolitik und die allgemeine Öffentlichkeit sind die Adressaten.
Das Codex-Innovationsprojekt ist der vorläufige Höhepunkt einer bereits jahrelangen Kritik der DGIM an dem zunehmenden Diktat der Gewinnmaximierung, die den klinischen Alltag bestimmt. Als Kongresspräsidentin sieht Schumm-Dräger diese Entwicklung als „sehr ernst und als bereits sehr weit fortgeschritten“. Die Notwendigkeit einer neuen Initiative ergebe sich vor allem aus der Tatsache, dass die „kommunikativen“ Disziplinen, zu der eben auch die Innere Medizin zähle, im Zuge der Kommerzialisierung zunehmend ins Hintertreffen gerate. Grundstein für die Kommunikation, den offenen Austausch zwischen Arzt und Patient, sei vor allem genügend Zeit.
Zeit für offene Fragen im Gespräch mit dem Patienten sei im Klinikalltag kaum noch vorhanden, rügte die Diabetologin, die hier vor allem ein Defizit bei der Betreuung von Patienten mit chronischen Erkrankungen ausmacht. Das ärztliche Gespräch erfülle viele wichtige Funktionen, nicht zuletzt schaffe es das notwendige Vertrauen und ermögliche eine intensive Erläuterung der Therapiemaßnahmen, so Schumm-Dräger. Eine wesentliche Forderung gilt daher einer besseren, angemessenen Vergütung der „sprechenden Medizin“.
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