Medizingeschichte: Erste Ampicillinresistenzen entstanden in der Viehzucht

Paris– Der unkontrollierte Einsatz von Antibiotika in der Viehzucht hat vermutlich bereits in den 1950er-Jahren zur Ausbreitung von resistenten Keimen geführt. Diese Vermutung legen Genomsequenzierungen in archivierten Bakterien nahe, die laut einer Studie in Lancet Infectious Diseases (2017; doi: 10.1016/ S1473-3099(17)30705-3) bereits vor Einführung von Ampicillin in der Humanmedizin über Resistenzgene verfügten.
Die Antibiotika-Ära begann nicht, wie vielfach angenommen, mit Penicillin. Der Vorreiter der heutigen antiinfektiösen Behandlung wurde zwar schon 1928 entdeckt, in die medizinische Therapie wurde er aber erst im 2. Weltkrieg eingeführt. Vorher setzten die Ärzte Sulfonamide ein, die als erste Breitspektrumantibiotika bei vielen Infektionen eine gute Wirkung erzielten. Penicillin wirkte dagegen bei vielen Darminfektionen nicht.
Dies änderte sich erst mit der Einführung von Ampicillin, das die Beecham Research Laboratories 1961 unter dem Namen Penbritin auf den Markt brachten. Schon zwei Jahre später wurde bei dem ersten Patienten eine Ampicillinresistenz entdeckt. Enterobakterien hatten die Fähigkeit entwickelt, mit dem Enzym Penicillinase TEM (benannt nach dem ersten Patienten Temoneria) das Antibiotikum zu zerlegen, bevor es die Synthese von Zellwänden stören konnte.
Bislang ging die Forschung davon aus, dass die rasche Resistenzentwicklung auf den Einsatz von Ampicillin beim Menschen zurückzuführen ist. Eine genetische Analyse von 288 Isolaten von S. enterica serotype Typhimurium aus den Zeitraum von 1910 bis 1969 stellt dies nun infrage. Das Team um Francois-Xavier Weill vom Institut Pasteur in Paris kann nämlich zeigen, dass Menschen bereits vor der Einführung von Ampicillin mit ampicillinresistenten Enterobakterien infiziert wurden.
Das Resistenzgen TEM-1B war in einem Isolat enthalten, das 1959 von einem Patienten in Frankreich entnommen wurde. Zwei weitere Isolate mit demselben Resistenzgen stammten aus dem Jahr 1960 von Patienten aus Tunesien.
Natürlich ist nicht auszuschließen, dass der Einsatz von Penicillin in der Humanmedizin für die Resistenzentwicklung verantwortlich ist. Dagegen spricht, dass Penicillin nicht gegen S. enterica serotype Typhimurium wirksam ist und ein Einsatz deshalb keinen Sinn machte, zumal mit den Sulfonamiden ein effektives Mittel zur Verfügung stand.
Wahrscheinlicher ist, dass die Resistenzen zunächst in der Viehwirtschaft entstanden. Veterinäre benutzten Penicilline nach ihrer Einführung auch zur Behandlung von Infektionen bei Tieren, und die Viehzüchter erkannten schnell, dass die Tiere schneller schlachtreif wurden, wenn ihnen Penicillin in geringer Menge ins Futter gemischt wurde.
Dies könnte die Entwicklung von Resistenzen bei Darmbakterien gefördert haben, von denen einige, wie S. enterica serotype Typhimurium auch den Menschen infizieren können. Die Resistenzgene befinden sich zudem auf Plasmiden, die einen Austausch unter verschiedenen Bakterien begünstigen, wozu die Ansammlung vieler Bakterien im Darm reichlich Gelegenheit bietet. Die Ausbreitung von Resistenzgenen, die in der Viehzucht entstanden sind, auf den Menschen ist deshalb plausibel, auch wenn sich die Infektionskette nicht zweifelsfrei rekonstruieren lässt.
Dass der breite Einsatz von Antibiotika in der Viehzucht die Behandlung von Krankheiten beim Menschen erschweren kann, wurde übrigens bereits 1965 im Lancet (1965; 1: 407–9) und 1968 im British Medical Journal (BMJ 1968; 3: 333–339) vermutet. Der Zusatz von Penicillin im Futter wurde 1969 verboten. Andere Antibiotika wurden weiter als Mastbeschleuniger eingesetzt. Sie wurden erst 2006 EU-weit verboten. In der Veterinärmedizin werden Antibiotika weiter eingesetzt.
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