Medizin

Meta-Analyse: Moderne Antidepressiva gleichwertig

  • Dienstag, 6. Dezember 2011

Krems – Die selektive Wiederaufnahme-Hemmer haben die Behandlung von depressiven Erkrankungen gegenüber den älteren Trizyklika zweifellos verbessert. Qualitätsunterschiede zwischen den zahlreichen modernen Antidepressiva traten in einer Meta-Analyse in den Annals of Internal Medicine (2011; 155: 772-785) jedoch nicht zutage.

Das Angebot moderner Antidepressiva ist groß. Zu ihnen gehören selektive Serotonin-Wiederaufnahme-Hemmer (SSRI wie Citalopram, Escitalopram, Fluoxetin, Fluvoxamin, Paroxetin, Sertralin), selektive Serotonin-/Noradrenalin-Wiederaufnahme-Hemmer (SSNRI wie Duloxetin), selektive Noradrenalin-Wiederaufnahme-Hemmer (SNRI wie Desvenlafaxin, Mirtazapin, Venlafaxin) oder andere Substanzen wie Bupropion, Nefazodon, Trazodon.

Ob dieser Vielfalt können Psychiater schnell den Überblick verlieren. Selbst Experten fällt es schwer, Vor- und Nachteile der einzelnen Substanzen gegeneinander abzuwägen. Dies macht die Ärzte anfällig gegenüber den Botschaften der Pharmafirma, deren Marketing natürlich die Vorteile des eigenen Produktes hervorhebt.

Ein Antidot ist die Meta-Analyse des US Agency for Healthcare Research and Quality, die zuletzt 2007 zu dem Ergebnis gekommen war, dass es keine wesentlichen Qualitätsunterschiede zwischen den einzelnen Wirkstoffen gibt. Daran hat sich auch bei der aktuellen Meta-Analyse nicht geändert, die das Team im Gerald Gartlehner von der Donau-Universität Krems erarbeitet hat.

Die Ergebnisse zeigen, dass die Wirksamkeit der Antidepressiva trotz großer Preisunterschiede sehr ähnlich und damit der Nutzen vergleichbar ist, schreibt der Epidemiologe. Wenngleich es doch manche Unterschiede bei den Nebenwirkungen gebe.

Die aktuelle Analyse auf der Basis von 234 Studien – randomisierte Studien mit einer Behandlungsdauer von mindestens 6 Wochen und Beobachtungsstudien mit mindestens 1.000 Teilnehmern – könnte deshalb für die verordnenden Ärzte eine interessante Lektüre sein.

Die Autoren warnen allerdings, die Ergebnisse mit Vorsicht zu interpretieren. Die meisten Studien seien an hoch-selektiven Patientengruppen durchgeführt worden, die nicht unbedingt repräsentativ für das Klientel der niedergelassenen Ärzte sein müssen.

Sie halten es auch nicht für ausgeschlossen, dass die selektive Publikation von positiven Studien die Wirksamkeit der Medikamente günstiger erscheinen lasse als sie in Wirklichkeit ist. Die publizierten Vergleichsstudien sind nach Ansicht der Autoren nur begrenzt geeignet, die Überlegenheit oder Schwäche eines Wirkstoffes zu belegen.

Insgesamt zeige die vorliegende Untersuchung, dass es keine wissenschaftlich belegte Berechtigung gebe, ein bestimmtes Medikament aufgrund der besseren Wirksamkeit zu bevorzugen, erklärt Gartlehner, der darauf hinweist, dass die Pharmaindustrie allein in den USA rund 400 Million US Dollar pro Jahr zur Vermarktung von Antidepressiva aufwende.

rme

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