Medizin

Metastasiertes Mammakarzinom: Verhaltener Optimismus zu CDK-Inhibitoren

  • Montag, 7. April 2014
Uploaded: 30.10.2012 18:34:34 by mis
dpa

Los Angeles/San Antonio – Palbociclib, der erste Vertreter der neuen Wirkstoffgruppe der CDK4/6-Inhibitoren, hat in einer Phase-II-Studie die progressionsfreie Überlebenszeit beim metastasierten Mammakarzinom verdoppelt. Doch die Auswirkungen auf das Gesamt­überleben blieben nach den auf der Jahrestagung der American Association of Cancer Research (AACR) in San Diego vorgestellten Ergebnissen hinter den Erwartungen zurück. Eine baldige Zulassung der neuen Substanz erscheint deshalb fraglich. Zwei weitere CDK4/6-Inhibitoren befinden sich in der klinischen Entwicklung.

Drei Pharmagiganten treiben derzeit die Entwicklung von Wirkstoffen voran, die soge­nannte Cyclin-abhängige Kinasen (CDK) hemmen. Diese Enzyme, deren Entdeckung Gegenstand des Medizinnobelpreises von 2001 war, nehmen eine Schlüsselrolle in der Steuerung des Zellzyklus ein. Vor einigen Jahren wurde entdeckt, dass Brustkrebszellen bei ihrem Wachstum von den beiden Cyclin-abhängigen Kinasen CDK 4 und CDK 6 abhängig sind. Dies hat mehrere Firmen zur Entwicklung von CDK4/6-Inhibitoren veranlasst.

Am weitesten fortgeschritten ist die Firma Pfizer, die jetzt die Abschlussergebnisse einer Phase-II-Studie (PALOMA-1) zu dem CDK4/6-Inhibitor Palbociclib vorgestellt hat. An der Studie nahmen 165 postmenopausale Frauen mit fortgeschrittenem oder metastasiertem Mammakarzinom mit positivem Östrogen-Rezeptorstatus und negativem HER2-Status teil. Erste Studien hatten gezeigt, dass hier am ehesten eine Wirkung des CDK4/6-Inhibitors Palbociclib zu erwarten ist. Die Patientinnen erhielten Palbociclib oder Placebo zusätzlich zu einer Hormontherapie mit Letrozol.

Die von Richard Finn von der Universität von Kalifornien in Los Angeles vorgestellten Ergebnisse zeigen, dass der Zusatz von Palbociclib das progressionsfreie Überleben von 7,5 auf 26,1 Monate verlängerte. Die Hazard Ratio von 0,49 war bei einem 95-Prozent-Konfidenzintervall von 0,32 bis 0,75 eindeutig signifikant. Das Gesamtüberleben, für die Zulassungsbehörde FDA der entscheidende Parameter, konnte von 33,3 auf 37,5 Monate verlängert werden.

Die Differenz war nicht signifikant (Hazard Ratio 0,81; 0,49-1,35). Ob die US-Arznei­behörde FDA aufgrund der bisherigen Ergebnisse der Phase-II-Studie eine Zulassung aussprechen wird, ist nicht sicher. Die FDA hat hier schlechte Erfahrungen gemacht: Sie erlaubte 2008 den Vertrieb des Krebsmedikaments Avastin (Wirkstoff Bevacizumab) beim fortgeschrittenen Mammakarzinom auf der Basis von günstigen Ergebnissen zum progressionsfreien Überleben, zog die Zulassung 2011 jedoch wieder zurück, als die erwartete Verlängerung des Gesamtüberlebens in einer Folgestudie ausblieb (in Europa ist Avastin dagegen weiter in dieser Indikation zugelassen).

Bei einer früheren Bewertung im März 2013 hatte die FDA Palbociclib allerdings als möglichen Therapiedurchbruch („Breakthrough Therapy“) bezeichnet und eine beschleunigte Zulassung versprochen. Jetzt könnte die FDA sich dafür entscheiden, zunächst die Ergebnisse der bereits begonnenen beiden Phase-III-Studien (Paloma 2 und 3) abzuwarten. Die Einführung des Medikaments würde sich dann um mehrere Jahre verzögern.

Da Palbociclib die Zellteilung hemmt, sind typische Nebenwirkungen wie bei den klassischen Zytostatika nicht zu vermeiden. Am häufigsten kam es in der Studie zu Leukopenien, Anämie und Abgeschlagenheit (Fatigue). Bei den Leukozyten kam es vor allem zu einem Rückgang der neutrophilen Granulozyten. Schwere Infektionen sind nach Auskunft von Finn jedoch ausgeblieben. Die Abbruchrate soll allerdings 13 Prozent betragen haben.

Der Hersteller Eli Lilly ließ auf der Tagung erste klinische Ergebnisse zu seinem CDK4/6-Inhibitor Bemaciclib (LY2835219) vorstellen. In einer Phase-I-Studie wurden 132 Patien­ten mit Glioblastom, Melanom, Lungenkrebs, Darmkrebs oder Brustkrebs  behandelt. Beim Mammakarzinom wurden die besten Ergebnisse bei Patientinnen mit rezeptor-positiven Tumoren erzielt. Das progressionsfreie Überleben betrug jedoch nur 9,1 Monate, wobei allerdings in diesem frühen Stadium der Dosisfindung noch keine Vergleiche zwischen den einzelnen Substanzen möglich sein dürften.

Die dritte Firma im Rennen ist Novartis, die den CDK4/6-Inhibitor LEE011 in mehreren Phase-I-Studien bei unterschiedlichen Tumoren untersucht hat, darunter auch beim Mammakarzinom. Im November gab der Schweizer Hersteller den baldigen Beginn einer Phase-III-Studie bekannt. Aufgrund der hohen Fallzahl von etwa 50.000 Amerikanerinnen mit Brustkrebs im fortgeschrittenen Stadium gilt diese Indikation als besonders lukrativ.

rme

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