Vermischtes

Mikro- und Nanoplastik in Gewässern lässt Antibiotika­resistenzen steigen

  • Mittwoch, 12. Juni 2024
/Deemerwha, studio stock.adobe.com
/Deemerwha, studio stock.adobe.com

Heidelberg – Die Verschmutzung von Gewässern mit Mikro- und Nanoplastik hat bereits jetzt Auswirkungen auf die Gesundheit und verstärkt antimikrobielle Resistenzen. Diesen Zusammenhang erklärten Forschende vom diesjährig gestarteten TULIP-Projekt bei einer Konferenz.

Treffen Mikroplastik und Bakterien in Gewässern aufeinander, können diese sich zu Kolonien formen und dadurch ihre Resistenzgene austauschen. „Mikroplastik hat hydrophobische Eigenschaften, sodass unterschiedliche Bakterien sich darauf ansiedeln und Kolonien bilden“, erklärte Marina Treskova vom Climate-Sensitive Infectious Diseases lab (CSIDlab) der Universität Heidelberg.

Gentransfer unter Bakterien verstärkt Resistenzen

Dabei bildeten die Antibiotika ein Biofilm auf der Plastikoberfläche und unter verschiedene Bakterien könne ein horizontaler Gentransfer stattfinden. „Harmlose Bakterien können zum Beispiel ein Resistenzgen haben und das mit gefährlichen Bakterien austauschen, die vorher keins hatten“, so Treskova. Diese Kolonien werden als Plastisphäre bezeichnet. In diesem Milieu könnten die Bakterien 200 Mal resistenter gegenüber Antibiotika werden. Plastikpartikel dienten wiederum als Träger, die Bakterien über hydrologische Prozesse von einer Stelle zu einer anderen bewegen.

„Antibiotikaresistenzen sind einer der Haupttodesursachen weltweit“, sagte Hans-Peter Grossart vom Leibniz-Institut für Gewässerökologie. Die Zahl sei mit 1,27 Millionen Todesfällen höher als für HIV/Aids oder Malaria. Von resistenten Mikroorganismen seien vor allem dicht besiedelte Gebiete betroffen – und hier fallen nicht nur Plastik und Bakterien, sondern auch Antibiotika an. Dadurch finde eine Selektion statt, wodurch nur resistente Bakterien überlebten, erklärte Grossart dem Deutschen Ärzteblatt ().

Die Verunreinigung von Gewässern untersucht Grossart unter anderem in der Region Berlin – Brandenburg. „Abwasseraufbereitungsanlagen sind einer der Hauptursachen für unterschiedliche Antibiotika in Gewässern,“ so der Experte. In anderen Ländern, etwa der Schweiz, müssten alle Kläranlagen mit speziellen Filtern ausgestattet sein, die Mikroplastik effizient aus dem Wasser entfernen können. „In Deutschland sind noch nicht alle Klärwerke damit ausgestattet, aber es gibt Bestrebungen das zu tun“, berichtete Grossart.

TULIP steht für „Community-based engagement and intervenTions to stem the spread of antimicrobial resistance in the aqUatic environments catalysed by cLImate change and Plastic pollution interactions”. Ziel des Projekts seien nicht nur wissenschaftlich fundierte Erkenntnisse zu den Wechselwirkungen von Plastikverschmutzung, antimikrobiellen Resistenzen und Klimawandel zu gewinnen, sondern diese in Empfehlungen für die Politik, gemeinschaftliche Aktionen auf lokaler Ebene und gesellschaftliches Wissen umzusetzen, sagte Projektleiter Joacim Rocklöv.

Beteiligt sind elf Projektpartner weltweit, darunter das Research Institute for Tropical Medicine im philippinischen Gesundheitsministerium. Die Europäische Union fördert das Vorhaben für einen Zeitraum von viereinhalb Jahren mit mehr als sechs Millionen Euro.

Direkte Auswirkungen von Plastik auf die Gesundheit bereits nachgewiesen

Neben der Zunahme von Antibiotikaresistenzen hat Plastik auch direkte Auswirkungen auf die Gesundheit. Nanoplastik wurde in den letzten Jahren in verschiedensten Organen nachgewiesen: Plazenta, Lunge, Leber, Mutter­milch, Urin und im Blut. Eine kürzliche veröffentlichte Studie fand bei einem Nachweis von Mikro- und Nanoplastik in Atheromen ein vierfach erhöhtes Risiko für einen Herzinfarkt oder Schlaganfall. Das Deutsche Ärzteblatt hat berichtet.

„Das ist zwar nur eine Studie, doch sie ist besorgniserregend", sagte der Epidemiologe und Pädiater Philip J. Landrigan vom Boston College. Auch die Gesundheit von Kindern sei bereits von den Auswirkungen toxischer Chemikalien aus Kunststoff betroffen, wie epidemiologische Studien zeigten, erklärte er dem auf Nachfrage.

„Zu diesen Auswirkungen gehören eine erhöhte Anzahl von Totgeburten, eine erhöhte Anzahl von Kindern mit niedrigem Gewicht, Geburtsfehler bei Männern und Asthma bei Kindern“, so Landrigan. Es sei allerdings nicht möglich, bei jedem einzelnen Patienten festzustellen, ob eine Krankheit oder Funktionsstörung durch eine toxische Chemikalie in Kunststoffen verursacht wird, da keine dieser Chemikalien eine pathognomische Signatur aufweise.

mim

Diskutieren Sie mit:

Diskutieren Sie mit

Werden Sie Teil der Community des Deutschen Ärzteblattes und tauschen Sie sich mit unseren Autoren und anderen Lesern aus. Unser Kommentarbereich ist ausschließlich Ärztinnen und Ärzten vorbehalten.

Anmelden und Kommentar schreiben
Bitte beachten Sie unsere Richtlinien. Der Kommentarbereich wird von uns moderiert.

Es gibt noch keine Kommentare zu diesem Artikel.

Newsletter-Anmeldung

Informieren Sie sich täglich (montags bis freitags) per E-Mail über das aktuelle Geschehen aus der Gesundheitspolitik und der Medizin. Bestellen Sie den kostenfreien Newsletter des Deutschen Ärzteblattes.

Immer auf dem Laufenden sein, ohne Informationen hinterherzurennen: Newsletter Tagesaktuelle Nachrichten

Zur Anmeldung