Medizin

Mikroplastik: Auf der Suche nach möglichen Gesundheitsauswirkungen

  • Freitag, 5. Dezember 2025
/Yellow Boat, stock.adobe.com
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Berlin – Die Wissenschaft zu den Auswirkungen von Mikroplastik auf die Gesundheit steckt offenbar noch in den Kinderschuhen. Auf die unklare Datenlage hat das Bundesinstitut für Risikobewertung (BfR) diese Woche hingewiesen.

Denn auch wenn sich die kleinen Partikel im Körper befänden, wisse man noch nichts über das gesundheitliche Risiko, so die Fachleute. Möglicherweise spielt demnach eine veränderte Enzymaktivität durch Mikroplastik eine Rolle.

„Man weiß mittlerweile, dass Mikroplastik über die Nahrung aufgenommen wird und in den Darm gelangt“, sagte Holger Sieg, Leiter der Arbeitsgruppe Mikroplastik am BfR. Die allermeisten der Plastikpartikel könnten die Darmbarriere jedoch nicht passieren. Darüber hinaus seien die Daten zur Exposition aktuell noch sehr ungenau und unsicher, weil validierte standardisierte Messtechniken fehlen.

Weiterhin sei es noch nicht gelungen, „zweifelsfrei einen ursächlichen Zusammenhang herzustellen zwischen der tatsächlichen Mikroplastikexposition auf der einen Seite und einer gesundheitlichen Gefährdung auf der anderen Seite“, so Sieg weiter. Für eine abschließende Risikobewertung müssten daher noch viele Fragen beantwortet werden.

Einfluss von Mikroplastik auf Enzyme

Es gebe viele Forschungsprojekte, die sich damit befassen, wie sich die Plastikpartikel im Körper auf das Immunsystem und entzündliche Prozesse auswirken könnten, etwa auf die Ausschüttung von Zytokinen.

„Woran wir selbst auch forschen, ist die Frage, ob eventuell wichtige Enzyme des Körpers an diese Plastikpartikel binden“, erläuterte Sieg. So könnten sich zum Beispiel Proteine an einen Plastikpartikel anlagern und damit eine sogenannte Proteinkorona formieren.

Wenn es sich dabei um wichtige Enzyme handle, könne es sein, dass deren Aktivität abnehme oder deren Struktureigenschaften verändert werde. „Wenn es gelingen würde diesen Mechanismus aufzuklären, wäre man in der Risikobewertung ein ganzes Stück weiter.“

In ersten Versuchen habe sich bereits eine veränderte Enzymaktivität der Alpha-Amylase, einem Enzym zur Verdauung von Kohlenhydraten, gezeigt. Es handele sich allerdings bislang um reine In-vitro-Versuche und die Ergebnisse seien noch nicht veröffentlicht, so Sieg.

Es müssten weiterhin realistische Expositionshöhen herausgefunden werden, das heiße, wie viele dieser Partikel in einer Zelle vorhanden sein müssten, um deren Funktion tatsächlich zu beeinflussen. Darüber hinaus stelle sich die Frage, ob der festgestellte Effekt auch wirklich gesundheitsrelevant sei.

Noch größer ist die Blackbox, wenn es um Nanoplastik geht. „Je kleiner die Partikel, desto unsicherer wird die Datenlage“, merkte Sieg an.

Uneinheitliche Messmethoden erschweren Beurteilung

Auf die Schwierigkeiten bei der Bestimmung etwa von Mengen an Mikroplastik wies auch Alexander Rohloff, Leiter der Fachgruppe Produktanalytik in der Abteilung für Chemikalien und Produktsicherheit am BfR, hin. Es seien verschiedene Analysemethoden notwendig. Zum einen verberge sich hinter dem Sammelbegriff Mikroplastik eine sehr diverse Stoffgruppe.

Zum anderen komme eine große Spannbreite der Partikeldurchmesser hinzu, die je nach Definition von 100 nm oder 1 µm bis 5 mm reichten. „Das wäre ein Unterschied wie von 1 m bis zu vielleicht 10 oder 100 km.“

Zudem seien die Gewebe eine hochkomplexe Matrix, die aus verschiedenen Biomolekülen wie Lipiden, Kohlenhydraten oder Proteinen bestünden, in denen die Partikel gefunden und quantifiziert werden müssten. Einige Stoffe könnten die Messungen stören. „Es ist besonders wichtig, genau hinzuschauen, ob man tatsächlich Plastik detektiert und nicht etwa Signale von bestimmten Biomolekülen.“

Rohloff betonte darüber hinaus die Bedeutung standardisierter Verfahren. Es sollten gleiche Methoden für das Aufspüren gleicher Arten von Mikroplastik verwendet werden. Das gestatte es, Messergebnisse aus verschiedenen Laboren zu vergleichen. Momentan sei das noch nicht möglich.

Der Chemiker forderte auch eine Prozesskontrolle. Über die gesamte Untersuchung müsse etwa eine Leerprobe mitgeführt werden, nicht zuletzt, um festzustellen, ob Ergebnisse überschätzt würden oder ob es sich um einen relevanten Befund handele. Das gelte nicht nur für die eigentliche Messung, sondern auch schon für die Probenvorbereitung – Plastikkontaminationen müssten vermieden werden. Labore seien „Hotspots für Plastikkontaminationen“.

Menschen sind besorgt

Trotz der unsicheren Datenlage nehmen Verbraucherinnen und Verbraucher Mikroplastik als Risiko wahr. Das berichtete Robin Janzik, Koordinator in der Abteilung Risikokommunikation am Bundesinstitut für Risikobewertung (BfR), kürzlich in Berlin.

Immer mehr Menschen sei Mikroplastik ein Begriff. „Inzwischen ist neun von zehn Personen, zumindest in Deutschland, Mikroplastik bekannt. Die Leute sind beunruhigt.“ Der Anteil der Menschen, die sich Sorgen machen, habe über die Jahre zugenommen. Aktuell gelte die Besorgnis aber noch eher der Umwelt als der menschlichen Gesundheit.

Allerdings, so Janzik, ist das Wissen über Mikroplastik in der Bevölkerung eher gering, es gebe Unsicherheiten bezüglich Definitionen, Effekten und Vorkommen in der Umwelt. Die Menschen seien aber bereit, etwas zu tun. „Die Leute sind beispielsweise bereit, ihr Kaufverhalten zu verändern.“

aks/mim

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