Ministerium will Telematikinfrastruktur stabiler machen

Berlin – Das Bundesgesundheitsministerium (BMG) arbeitet an einer Weiterentwicklung seiner Digitalstrategie. Unter anderem sollen die Telematikinfrastruktur (TI) stabiler werden, die Nutzung Künstlicher Intelligenz (KI) vereinfacht und das Forschungsdatenzentrum Gesundheit (FDZ) weiterentwickelt werden.
Das erklärte Thomas Renner, Leiter der BMG-Unterabteilung Digitalisierung und Innovation, gestern bei der Jahrestagung Health des Handelsblatts. Die Fortschritte durch die Digitalgesetzgebung der vergangenen Jahre mache sich mittlerweile bemerkbar.
„Wir sehen, dass es uns Schritt für Schritt gelingt, in der Versorgung durch Digitalisierung Zeit zu sparen“, erklärte er. „Wir sehen allerdings auch noch zu viele Silos, mangelnde Interoperabilität und fehlende Schnittstellen.“ Das führe dazu, dass die im Gesundheitswesen gewonnenen Daten noch nicht ausreichend nutzbar seien.
Gemeinsam mit der Gematik arbeite das BMG deshalb derzeit an einer Weiterentwicklung der Digitalstrategie, die unter anderem eine bessere Verknüpfbarkeit der Daten ermöglichen soll. Die „Roadmap Daten und KI“ bestehe bisher aus vier Säulen.
So solle erstens die dezentrale Gesundheitsdaten-Infrastruktur ausgebaut werden. Geplant sei dazu der Aufbau einer koordinierenden Zugangs- und Koordinierungsstelle für Gesundheitsdaten sowie die Benennung von domänen-spezifischen Zugangsstellen für diese. Auch soll die Verknüpfung von Datensätzen unterschiedlicher Dateninhaber ermöglicht werden.
Zweitens soll durch eine Ausweitung der verfügbaren Daten das FDZ weiterentwickelt und die Nutzbarkeit von dessen Daten für KI-Anwendungen verbessert werden. Bereits seit dem vierten Quartal laufe die Datenausleitung aus den elektronischen Patientenakten (ePA) an das FDZ. „Der Datenschatz des FDZ ist etwas, worum man uns im Ausland beneidet“, unterstrich Renner. „Da sollten wir uns nicht kleiner machen als wir sind.“
Um die Anwendung von KI im Gesundheitswesen zu erleichtern, sollen drittens die richtigen Voraussetzungen geschafft werden. So sollen KI-Reallabore aufgebaut und Trainingsdaten bereitgestellt werden. Das solle einen geschützten Raum für die Entwicklung neuer Anwendungen bereitstellen. Der EU-Digitalrechtsrahmen müsse zudem innovationsfreundlich angepasst werden und die Möglichkeiten von Krankenkassen zur KI-Nutzung gestärkt werden.
Schließlich wolle das BMG viertens weitere Schritte in Richtung „Real World Evidence“ gehen, also zur Analyse von Patientendaten, die außerhalb klinischer Studien – speziell in der Versorgung – entstehen. So solle die strukturierte Erhebung klinischer Daten – inklusive der automatischen Ausleitung in Register – gefördert und die Aktualität der Datenverfügbarkeit im Gesundheitswesen weiter verbessert werden. Der nächste Schritt werde hier das Medizinregistergesetz sein, das bald in die Abstimmung gehe.
Ein weiteres Aufgabenfeld sei zudem die TI. Es sei besonders wichtig, hier nachzubessern, da deren Instabilität bisher zu ihrer schlechten Wahrnehmung und geringen Akzeptanz unter den Leistungserbringern geführt habe. Zentral sei die Verringerung der Komplexität des Systems.
Längerfristig würden sich zudem vor allem bei den Krankenhäusern Fragen nach dem Finanzierungsbedarf stellen. Diese hätten bisher oft nicht genug Anreize zur Einführung digitaler Anwendungen. „Wir brauchen da mehr systemimmanente Lösungen und sollten das nicht alles über den Innovationsfonds regeln“, forderte er.
Auch die Gematik brauche künftig mehr Befugnisse, um steuernd eingreifen zu können. Deren Geschäftsführer Florian Fuhrmann zog indes eine positive Zwischenbilanz der zentralen Digitalisierungsprojekte. So erhalte er mittlerweile trotz einiger Ausfälle überwiegend positive Rückmeldungen zur Funktionalität des elektronischen Rezeptes (E-Rezepts). Rund 80 Prozent aller Verordnungen würden mittlerweile elektronisch erfolgen.
Auch die ePA werde mittlerweile sehr gut angenommen. 2,7 Millionen Dokumente seien allein in der vergangenen Woche hochgeladen und rund zehn Millionen Medikationslisten eingesehen worden. Zudem seien mittlerweile rund vier Millionen digitale Identitäten registriert. Dies deute darauf hin, dass ungefähr so viele Versicherte die ePA selbst aktiv nutzen.
Auch Fuhrmann plädierte dafür, die Komplexität des Gesamtsystems zu verringern, um dessen Stabilität zu erhöhen. Als einer der nächsten Schritte müsse überlegt werden, wie KI besser in die ePA integriert werden könne – das gelte aber für das gesamte Gesundheitswesen. Auch in der Patientensteuerung, beispielsweise bei digitalen Ersteinschätzungsverfahren, könne er sich vorstellen, dass KI eine große Rolle spiele.
Von Fortschritten berichtete außerdem Karl Broich, der Präsident des Bundesinstituts für Arzneimittel und Medizinprodukte (BfArM). So laufe das kürzlich eröffnete FDZ bisher trotz kleinerer Bugs sehr stabil. Auch Broich betonte dessen Bedeutung: „Wir haben sektorübergreifende Daten von 74 Millionen Versicherten und die Register werden noch angebunden“, sagte er. „Da entsteht etwas, womit wir in Europa führend sind.“
Auch spüre seine Behörde bereits die Erleichterungen, die das Medizinforschungsgesetz (MFG) für die Durchführung klinischer Studien gebracht habe. Bei mononationalen Studien verzeichne sie einen Anstieg von 76 Prozent im Vergleich zum Vorjahr. Die Rekrutierung von Probanden gelinge so spürbar schneller. Dass es vorangehe, liege aber auch am BfArM selbst: Die verkürzte 26-tägige Frist zur Prüfung von Studienanträgen habe es bisher kein einziges Mal gerissen.
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