Missbrauch von K.-o.-Tropfen mit Prävention entgegenwirken

Berlin – Um den Missbrauch von K.-o.-Tropfen einzudämmen, sollten präventive Maßnahmen in Deutschland ausgebaut und die Akutversorgung verbessert werden. Zu dieser Erkenntnis kamen gestern Experten in einer Anhörung des Gesundheitsausschusses. Ein Verbot von Stoffen, die als K.-o.-Tropfen eingesetzt werden, ist einigen Sachverständigen zufolge nicht zielführend.
„Verbote machen Drogen oft noch gefährlicher“, gab Bernd Werse, leitender wissenschaftlicher Mitarbeiter am Centre for Drug Research der Goethe-Universität Frankfurt, zu bedenken. Die häufig als K.-o.-Tropfen eingesetzte Chemikalie Gamma-Butyroacton (GBL) in Deutschland zu verbieten, würde Täter nicht abschrecken. Im Gegenteil würden sie GBL entweder über den Onlinehandel im Ausland beziehen können oder zu anderen Mitteln greifen. Auch Abzweigungen aus der Industrie stellen laut Werse ein Problem dar.
Die CDU/CSU-Fraktion hatte einen Antrag gestellt, mit dem gefordert wird, dass die freie Verfügbarkeit von GBL-Endverbraucherprodukten, insbesondere auch im Internet, stärker reguliert und unter Strafe gestellt wird.
Dem Antrag zufolge ist GBL eine in der Industrie weit verbreitete Chemikalie, die als Lösemittel und Synthesebaustein für andere Chemikalien genutzt wird. Die Abgabe von GBL als Massenchemikalie erfolgt laut Antrag im Rahmen einer freiwilligen Selbstkontrolle entsprechender Hersteller und Händler. Dies führe dazu, dass mit dem Stoff zum Teil (gewerblich) gehandelt werde.
„Das bestehende Strafrecht reicht nicht aus“, betonte Livia Kerp, Autorin und Betroffene. „Nach den Erfahrungen, die ich machen musste, wünsche ich mir, dass der öffentliche Zugang zu den Stoffen verboten wird.“
Rainer Dahlenburg, Apotheker für experimentelle Pharmakologie und Toxikologie, hielt eine Lösung für möglich, GBL unter das Betäubungsmittelgesetz (BtMG) zu fassen. Hiermit könnten strafrechtliche Maßnahmen ermöglicht und der Einsatz der Chemikalie in der Industrie weiterhin gewährleistet werden.
Der Verband der chemischen Industrie (VCI) verurteilte den missbräuchlichen Einsatz von GBL, sah bei einer Aufnahme von GBL in das BtMG allerdings Probleme auf die Industrie zukommen. Dies würde die Verwendung der Chemikalie einschränken und hätte Auswirkungen auf die Nutzung von GBL als Synthesebaustein in vielen Industrien.
Neben der freiwilligen Selbstkontrolle sei als Ergänzung vielmehr eine gesetzliche Beschränkung GBL-haltiger Endverbraucherprodukte unter dem Chemikalienrecht denkbar. Da der Missbrauch ein gesamteuropäisches Problem sei, schlug der Verband außerdem vor, Vermarktungsbeschränkungen über ein europäisches Gesetz zu erlassen. Das gezielte Inverkehrbringen wäre damit eingedämmt und eine EU-weite Verfolgbarkeit möglich.
Der Verein „Kein Opfer“ (KO) befürwortete, dass die Politik den legalen Zugang zu GBL hinterfragt. Nina Fuchs, stellvertretend für den Verein anwesend, kritisierte jedoch, dass sich das Problem viel komplexer gestalte und ein Verbot von GBL lediglich ein kleines Zeichen sei.
Neben GBL würden noch viele weitere Substanzen als K.-o.-Tropfen eingesetzt, die mit einem Verbot von GBL weiterhin zugänglich seien. Darunter verschiedene Narkotika, Psychopharmaka und Flüssignikotin aus E-Zigaretten, so Fuchs.
Sie plädierte für eine flächendeckende Prävention, die schon in den Schulen ansetzt. Hier säßen sowohl potenzielle Opfer als auch zukünftige Täter, die man über die Wirkung und Folgen von K.-o.-Tropfen aufklären müsse: „Die Täter kann man nur durch Prävention in den Fokus nehmen.“
Auch die Veranstalter und Clubbetreiber sollten Fuchs zufolge stärker in die Verantwortung gezogen und etwa zu Aushängen verpflichtet werden. Mitarbeiter im Nachtwesen müssten für solche Situationen geschult werden, an den Eingängen sollte stärker kontrolliert werden, schlug sie vor.
Eine weitere Problematik im Umgang mit K.-o.-Tropfen sah der Bund Deutscher Kriminalbeamter (BDK) im Nachweis der Stoffe. Bei der Anhörung wurde berichtet, dass die Taten oft erst mit Zeitverzug gemeldet würden, sodass der Stoff nicht mehr nachgewiesen werden könne. Dadurch seien viele Fälle uneindeutig und die Datenlage in der Polizeilichen Kriminalitätsstatistik nicht ausreichend.
Ziel müsse es sein, Urinproben schnell nach der Tat abzugeben. Dafür brauche es einerseits mehr Aufklärung, aber auch ausreichend Anlaufstellen für Betroffene, so der BDK.
Darauf machte auch Fuchs aufmerksam. An Beratungsstellen und Akutversorgungsstationen mangele es bisher in Deutschland. Viele Akutversorger seien nicht ständig erreichbar, dabei passierten die meisten Taten in der Nacht und am Wochenende. Betroffene müssten sofort die Möglichkeit haben, sich an eine Anlaufstelle zu wenden um zügig eine Urinprobe abzugeben. Werde die Probe eigenständig genommen und abgegeben, sei sie vor Gericht nicht verwendbar, erklärte Fuchs.
Sie wünschte sich ein einheitliches, deutschlandweites System für Opfer von K.-o.-Tropfen: Anlaufstellen, in denen 24 Stunden Spuren gesichert werden und Betroffene in Ruhe über eine Anzeige nachdenken könnten.
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