Mit dem Komitee "Ärzte für die 3. Welt" in Kalkutta

Am meisten betroffen gemacht hat es mich, die hungernden Kinder zu sehen, zu begreifen, dass sie oft nur in die Welt gesetzt werden, um arbeiten zu gehen und das Überleben der Eltern zu sichern. Eine Schule zu besuchen, ist ihnen oft nicht möglich. Die Schicksalsergebenheit der Menschen, in der ein Einzelner kaum einen Wert hat, fand ich sehr erschreckend - auch wenn mir die Tatsache zuvor theoretisch bewußt war.
Aus diesem Grund bin ich froh, dass es mir durch das Komitee "Ärzte für die 3. Welt" möglich war, meine Hilflosigkeit zu überwinden und Mitverantwortung für unsere "Eine Welt" zu übernehmen. Urlaub bzw. Freizeitausgleich zusammengespart, arbeitete ich für zwei Monate in den Slums von Kolkata (Kalkutta).
Rechtzeitig organisiert, erhielt ich viel Unterstützung durch meinen Mann und mein Kollegenteam in Laer (Psychosomatische Abteilung des Marienhospitals Borghorst), die meine dort anfallende Arbeit in dieser Zeit mit auffingen. In Kalkutta arbeitete ich in einem Team mit fünf weiteren Kollegen/innen in verschiedenen Einsatzgebieten in der örtlichen Ambulanz oder mit der "mobile clinic" in angrenzenden Slums.
Die Patienten die sich in die den langen Warteschlangen einreihten, hatten zum Teil lange Fußmärsche hinter sich, waren nachts unterwegs gewesen, um sich von uns "german doctors" helfen zu lassen. Bis zu 500 Patienten täglich - es wurden nur die Ärmsten der Armen behandelt - kamen zu uns.
Bei eingeschränkten diagnostischen Möglichkeiten und dem Vorhandensein von nur einer kleinen Zahl an Standardmedikamenten waren immer wieder die fünf Sinne gefragt, um Entscheidungen zu treffen, ob z.B. ein Patient eingewiesen werden musste oder ambulant behandelt werden konnte.
Eine von dem Komitee bezahlte Einweisung in ein privates Krankenhaus konnte aus Kostengründen nur in Notfällen erfolgen, die Behandlung in staatlichen Häusern war oft nur unzureichend. Häufige Erkrankungen waren verschiedene Infektions- und Wurmerkrankungen, unklares Fieber, Pneumonien, Tuberkulose, Asthma, Haut- und Geschlechtserkrankungen, Diabetes mellitus, arterieller Hypertonus, Verbrennungen und Unfälle sowie psychosomatisch bedingte Beschwerden, verursacht durch die belastenden und oft menschenunwürdigen Lebensbedingungen.
Ursache abdomineller Beschwerden war oft der Hunger. So erfolgte neben der medikamentösen Therapie ein Austeilen von "food packages" sowie eine Aufklärung bezüglich Hygiene, Ernährung, Familienplanung, Physiotherapie durch die mit uns zusammenarbeitenden indischen Helfer und Übersetzer. Diese ermöglichten auch die notwendige Anpassung an Kultur, Mentalität, Sprache und Religion der Patienten.
Die Projektländer der Organisation Ä.f.3.W. befinden sich neben Kalkutta (Indien) in Manila und Mindanao (Phillippinen), Dhaka (Bangladesh), Nairobi (Kenia), Caracas (Venezuela), in denen Ärzte einen mindestens sechswöchigen unentgeltlichen Einsatz machen können. Weiter unterstützt das Komitee mehr als 160 Partnerorganisationen in 31 Ländern, die bemüht sind, den Menschen eine würdigere Zukunft zu ermöglichen.
Die zwei Monate waren für mich eine Herausforderung und Erfahrungsbereicherung, die ich nur jedem Kollegen, jeder Kollegin empfehlen kann! Vieles von dem, was uns hier so beschäftigt, relativiert sich plötzlich… Wer sich durch persönlichen Einsatz oder finanziell - die Spenden fließen ungekürzt in die Projekte, da ein Förderkreis die Kosten für Personal und Verwaltung übernimmt- engagieren möchte, der kann sich wenden an "Ärzte für die Dritte Welt, Elsheimerstr.9, 60322 Frankfurt am Main. Bankverbindung: Evangelische Kreditgenossenschaft, BLZ 50060500, Konto-Nr. 204888880
Diskutieren Sie mit
Werden Sie Teil der Community des Deutschen Ärzteblattes und tauschen Sie sich mit unseren Autoren und anderen Lesern aus. Unser Kommentarbereich ist ausschließlich Ärztinnen und Ärzten vorbehalten.
Anmelden und Kommentar schreiben
Bitte beachten Sie unsere Richtlinien. Der Kommentarbereich wird von uns moderiert.
Diskutieren Sie mit: