Medizin

Morbide Adipositas: Zweifel am Überlebensvorteil der Operation

  • Dienstag, 14. Juni 2011

Durham – Die bariatrische Chirurgie kann bei Menschen mit morbider Adipositas zwar eine rasche Gewichtsabnahme erzwingen. Eine Reduktion der Sterblichkeit wurde in einer Kohortenstudie an US-Veteranen im US-amerikanischen Ärzteblatt (JAMA 2011; 305: 2419-2426) jedoch nicht erzielt.

Während sich die Prävalenz der Adipositas in den USA bei etwa einem Drittel der erwachsenen Bevölkerung zu stabilisieren scheint, nimmt die Zahl der Patienten mit morbider Adipositas weiter zu: Die Prävalenz einer Adipositas permagna (BMI über 40) stieg zwischen 2000 und 2005 um 39 Prozent.

Bei den Patienten mit einer sogenannten Superadipositas (BMI über 50) gab es sogar eine Zunahme um 75 Prozent. Diese Patienten gelten als ideale Kandidaten für eine bariatrische Operation, wobei den meisten gleich zu einer Darmverkürzung (Roux-en-Y-Bypass) geraten wird.
 

Bariatrische Operationen sind bei morbider Adipositas jedoch nicht ohne Risiken. In der Kohorte von 850 Patienten, über die Matthew Maciejewski vom Veteranenklinik in Durham/North Carolina berichtet, starben 11 innerhalb der ersten 30 Tage nach der Operation, was immerhin eine operationsbedingte Mortalität von 1,3 Prozent ist.

Sie lag viermal so hoch wie in der Longitudinal Assessment of Bariatric Surgery (NEJM 2009; 361: 445-54), die als Referenz-Studie für die Sicherheit der bariatrischen Chirurgie bei extremer Adipositas betrachtet wird.

Die Teilnehmer dieser Studie waren allerdings 5 Jahre jünger als die US-Veteranen und überwiegend weiblich, während sie in der Veteranen-Studie überwiegend männlich waren, für Maciejewski eine mögliche Erklärung für die unterschiedlichen Ergebnisse zwischen den beiden Studien.

Dass kleine Unterschiede größere Auswirkungen auf die Ergebnisse von Kohortenstudien haben können, zeigte sich auch innerhalb der Veteranen-Studie. Ursprünglich hatte Maciejewski die Patienten mit einer Kohorte von etwa 41.000 anderen Veteranen verglichen, ohne auf einen Abgleich anderer Risikofaktoren zu achten.

Diese unkritische Betrachtung ergab – trotz der hohen postoperativen Mortalität – eine Reduktion der langfristigen Sterblichkeit in den ersten 6,7 Jahren nach der Operation um etwa ein Drittel. Ganz anders waren die Ergebnisse in einer zweiten Analyse, in der darauf geachtet wurde, dass Alter, Ausgangs-BMI und andere Kofaktoren der Vergleichskohorte gleich waren.

In dieser Analyse gab es keinen Vorteil für die bariatrische Operation mehr. Die Sterblichkeit war in beiden Gruppen gleich. Für ältere, überwiegend männliche Patienten könnte die Operation deshalb von begrenztem Nutzen sein.

Maciejewski rät aber dennoch nicht von dem Eingriff ab, da er Begleiterkrankungen wie den Typ-2-Diabetes mellitus lindern und die Lebensqualität der Patienten verbessern könne. Bei der bariatrischen Operation scheint die richtige Auswahl der Patienten den Erfolg in hohem Maße zu beeinflussen.

rme

Diskutieren Sie mit:

Diskutieren Sie mit

Werden Sie Teil der Community des Deutschen Ärzteblattes und tauschen Sie sich mit unseren Autoren und anderen Lesern aus. Unser Kommentarbereich ist ausschließlich Ärztinnen und Ärzten vorbehalten.

Anmelden und Kommentar schreiben
Bitte beachten Sie unsere Richtlinien. Der Kommentarbereich wird von uns moderiert.

Es gibt noch keine Kommentare zu diesem Artikel.

Newsletter-Anmeldung

Informieren Sie sich täglich (montags bis freitags) per E-Mail über das aktuelle Geschehen aus der Gesundheitspolitik und der Medizin. Bestellen Sie den kostenfreien Newsletter des Deutschen Ärzteblattes.

Immer auf dem Laufenden sein, ohne Informationen hinterherzurennen: Newsletter Tagesaktuelle Nachrichten

Zur Anmeldung