Morbus Hodgkin hat genetische Beziehung zu Autoimmunerkrankungen

London – Die bisher größte genomweite Assoziationsstudie (GWAS) identifiziert in Nature Communications (20917; doi: 10.1038/s41467-017-00320-1) 6 weitere Risikogene für den klassischen Morbus Hodgkin, von denen 5 die Funktion der B-Zellen betreffen, aus denen sich die Zellen des Lymphoms ableiten und die auch an Autoimmunerkrankungen beteiligt sind.
Der klassische Morbus Hodgkin, an dem in Deutschland etwa 2.200 Menschen pro Jahr erkranken, hat eine für Krebserkrankungen ungewöhnlich starke genetische Komponente. Geschwister erkranken 6-fach häufiger, Zwillinge des gleichen Geschlechts hatten in einer skandinavischen Studie sogar ein 56-fach erhöhtes Risiko – wobei das absolute Erkrankungsrisiko aufgrund der geringen Prävalenz niedrig bleibt.
Es gibt deshalb gute Gründe, nach den für das erhöhte Risiko verantwortlichen Genen zu suchen. Frühere GWAS hatten bereits 7 Einzelnukleotid-Polymorphismen (SNP) ausfindig gemacht, die sich auf den HLA-Genen befinden, die eine Schlüsselrolle bei der Unterscheidung zwischen körpereigenen und körperfremden Strukturen durch das Immunsystem haben.
Ein Team um Richard Houlston vom Institute of Cancer Research in London hat jetzt das Erbgut von 5.314 Patienten mit Hodgkin-Lymphom und 16.749 Kontrollen an mehr als 10 Millionen Stellen (Einzelnukleotid-Polymorphismen, SNP) verglichen. Die Patienten stammten aus 4 verschiedenen europäischen Studien mit signifikanten Beiträgen der Deutschen Hodgkin-Studiengruppe und der Heinz-Nixdorf-Recall-Studie.
Dieses Mal wurden 6 neue SNP gefunden, die sich außerhalb der HLA-Regionen befinden. 5 der 6 Gene beeinflussen die Funktion von B-Zellen, die im Immunsystem für die Bildung von Antikörpern zuständig sind. B-Zellen sind auch an Autoimmunerkrankungen beteiligt. Die Forscher haben deshalb untersucht, ob eine Beziehung zu den Genen besteht, die das Risiko auf Autoimmunerkrankungen erhöhen.
Für die Multiple Sklerose wurde eine positive und für die Colitis ulcerosa eine negative Assoziation gefunden. Dies bedeutet laut Houlston nicht, dass Patienten mit einer Autoimmunerkrankung Sorge tragen müssen, dass sie demnächst an einem Lymphom erkranken werden (dazu sind die absoluten Risiken zu gering). Die Ergebnisse könnten jedoch neue Wege zur Diagnose, Behandlung oder sogar zur Vorbeugung von Hodgkin-Lymphomen aufzeigen, schreibt Houlston.
Das Hodgkin-Lymphom gehört zwar zu den gut zu behandelnden Krebserkrankungen. Bei einer zu späten Diagnose oder einem Versagen der Ersttherapie kann es jedoch zu tödlichen Verläufen kommen (in Deutschland 377 Todesfälle im Jahr 2012). Außerdem haben Chemotherapie und Radiotherapie langfristige Nebenwirkungen von einer Unfruchtbarkeit bis zu sekundären Krebserkrankungen, sodass die Suche nach besseren Behandlungen für Hodgkin-Lymphome weiterhin wichtig ist.
Eine weitere Erkenntnis der Studie ist, dass die beiden häufigsten Unterformen, der nodulär-sklerosierende Typ (NSHL) und der Mischtyp (MCHL) unterschiedliche genetische Risiken haben. So erhöhte eine SNP im Gen LPP das Risiko auf einen NSHL um 37 Prozent, auf die Entwicklung eines MCHL hatte die SNP keinen Einfluss. Die Heritabilität insgesamt gibt Houlston mit 25,2 Prozent für das NSHL und mit 21,9 Prozent für das MCHL an.
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