Politik

Multiresistente Keime: Ärzte müssen weniger Antibiotika verordnen

  • Freitag, 6. März 2015
Uploaded: 06.03.2015 17:36:33 by mis
Karl-Josef Laumann /dpa

Berlin – Knapp vier Jahren nach der Verschärfung des Infektionsschutzgesetzes hat am Mittwoch der Patientenbeauftragte der Bundesregierung, Karl-Josef Laumann, gefragt: „Hat sich durch die Novellierung des Gesetzes die Lebenswirklichkeit in den Kranken­häusern verändert? Oder brauchen wir bei planbaren Krankenhausaufenthalten nicht ein Screening auf multiresistente Erreger, damit man zumindest weiß, wer einen solchen Keim in sich trägt?“

Die Zunahme resistenter Keime stellten die Gesundheitswesen weltweit vor große Herausforderungen, sagte Laumann auf der Veranstaltung „Krankenhausinfektionen – Hintergründe, Gefahren und Strategien“ in Berlin. Ein Problem sei in jedem Fall der sorglose Umgang mit Antibiotika. „In der Humanmedizin werden 700 bis 800 Tonnen Antibiotika pro Jahr eingesetzt, in der Veterinärmedizin 1.700 Tonnen“, kritisierte Laumann. „Ich glaube schon, dass es weiterhin einer Aufklärung bedarf, dass der Einsatz von Antibiotika wesentlich sorgfältiger und restriktiver sein muss.“

Schulungen zu Antibiotikaresistenzen: Es gibt zu wenige Fortbildungsplätze „Wir müssen Antibiotika weniger einsetzen als bisher“, betonte auch Martin Mielke vom Robert Koch-Institut. Deshalb sei es wichtig, die Ärzte besser zu schulen. „Es ist selbstverständlich, dass ein Chirurg lange lernen muss, bevor er operiert“, erklärte Mielke. „Der Einsatz von Antibiotika wird hingegen von allen Ärzten durchgeführt, obwohl die entsprechende Ausbildung an den Universitäten eher noch schlechter geworden ist.“

„Wichtig ist eine rationale Antibiotikatherapie und dass die Ärzte besser geschult werden“, meinte ebenfalls Julia Seifert vom Unfallkrankenhaus Berlin (ukb). Leider gebe es dafür jedoch zu wenige Fortbildungsplätze. Diese müssten dringend geschaffen werden. 

„Darüber hinaus haben wir Resistenzen nichts entgegensetzen als die rasche Entwicklung neuer Antibiotika“ erklärte Mielke. Diese seien jedoch teuer in der Herstellung, ihr Preis hingegen sei ungewöhnlich billig. Zudem seien sie nach wenigen Jahren möglicherweise wieder wirkungslos, und die Entwicklung wäre umsonst gewesen.

„Antibiotikaresistenzen sind kein deutsches Problem“
„Antibiotikaresistenzen sind kein deutsches Problem“, so Mielke weiter. Innerhalb Europas gebe es große Unterschiede bei der Häufigkeit von Antibiotikaresistenzen. Deutschland stehe dabei gar nicht so schlecht da. „Es gibt in Europa eine gewisse Korrelation zwischen dem Auftreten von Antibiotikaresistenzen und der wirtschaftlichen Situation des Landes, in dem sie auftreten“, sagte Mielke. Zusammenhänge gebe es auch mit der Organisation des Gesundheitswesens und dem Zustrom von Flüchtlingen. Insofern lebten die Deutschen in gewisser Hinsicht auf einer Insel der Seligen.

„Etwa ein bis drei Prozent der Patienten, die in ein Krankenhaus kommen, haben einen multiresistenten Erreger in der Nase. Die Aufgabe besteht darin, die anderen Patienten vor einer Übertragung zu schützen“, so der Leiter der Abteilung für Infektionskrankheiten des RKI. Hier gebe es jedoch ein Dilemma, da eine kontaktlose Medizin nicht existiere. „Wichtig ist, dass ein Krankenhaus eine fitte Hygienefachkraft hat“, meinte Mielke. Und, dass Ärzte und Pflegekräfte auf einen aseptischen Umgang mit Kathetern und Beatmungspforten auf den Intensivstationen geschult würden.

Laumann: „Wir haben kein Gesetzesproblem, sondern ein Verhaltensproblem“
„Am Unfallkrankenhaus Berlin screenen wir die Patienten und versuchen, die Betroffenen dann zu dekolonisieren – mindestens einmal“, berichtete Seifert. „Wir nehmen auch an der Aktion ‚Saubere Hände‘ teil.“ Das wichtigste dabei sei, dass Chefärzte und leitende Oberärzte die Aktion lebten. Dann würden das auch die jungen Kollegen übernehmen. 

„Viele der Maßnahmen im Hygienebereich wurden nie in klinischen Studien geprüft“, betonte Seifert. „Es fehlen wissenschaftliche Studien, weil das Fach an den Universitäten kaum noch existiert: Nur neun von 36 Universitäten haben noch eine Professur.“ Die universitäre Forschung müsse dringend nachgeholt werden.

In jedem Fall sei es gut, dass immer wieder auf das Problem aufmerksam gemacht werde, sagte Seifert. Und es sei auch gut gewesen, dass der Gesetzgeber das Infektionsschutzgesetz verschärft habe. „Ich erkenne zurzeit nicht, dass wir ein Gesetzesproblem haben“, meinte auch Laumann, „sondern ein Verhaltensproblem.“

fos

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