Medizin

Muskulare Sarkozystose: Parasiten aus Tropeninsel infizieren Touristen

  • Mittwoch, 4. Juni 2014

Berlin – Der Aufenthalt auf Pulau Tioman, einer idyllischen Insel östlich der malaiischen Halbinsel, hatte in den letzten Jahren für einige Touristen aus Deutschland ein empfindliches Nachspiel. Nach stärksten Muskelschmerzen diagnostizierten Tropen­mediziner aus fünf deutschen Städten eine muskuläre Sarkozystose, eine zuvor in Deutschland praktisch unbekannte parasitäre Zoonose.

Erreger der Sarkozystose sind einzellige Parasiten mit einem dualen Vermehrungszyklus. Der sexuelle Zyklus erfolgt im Darm eines Endwirts. Diese intestinale Sarkozystose verläuft in der Regel asymptomatisch. Zu Problemen kommt es aber, wenn der Mensch zum Zwischenwirt wird.

Dann durchbrechen die Parasiten die Darmwand und wandern in die Blutgefäße ein. Hier erfolgt in mehreren Zyklen eine asexuelle Vermehrung. Die dann freigesetzten Merozoiten befallen Muskelzellen, wo sie ähnlich wie bei einem Trichinenbefall Zysten bilden – und (vergeblich) auf den Verzehr durch einen Endwirt warten.

Diese muskuläre Sarkozystose war beim Menschen bisher äußerst selten. Aus unge­klärten Gründen ist es in den letztem Jahren zu einem Anstieg der Erkrankungen gekommen. Charakteristisch ist ein biphasischer Verlauf. Am Anfang steht eine Fieberepisode mit Kopfschmerz, die etwa zwei Wochen anhält. Nach einem beschwerdefreien Intervall von weiteren zwei Wochen kommt es dann erneut zu Fieber, das jetzt von starken Muskelschmerzen begleitet wird.

Eine Patientin beschrieb sie stärker als Geburtsschmerzen, andere konnten sich kaum ankleiden, eine Tasse heben oder Treppen steigen, berichteten Günther Slesak von Paul-Lechler-Krankenhaus in Tübingen und Tropenmediziner aus vier weiteren Städten kürzlich in der Deutschen Medizinischen Wochenschrift (DMW 2014; 139: 990–995), wo sie ihre Erfahrungen zu 26 Erkrankungen mitteilen, die seit 2011 in Deutschland diagnostiziert wurden.

Wegweisend war neben den Symptomen (Fieber, Myalgie) und den Laborwert­veränderungen (CK-Erhöhung, Laktatdehydrogenase-Anstieg, Eosinophilie) vor allem, dass alle Patienten in den Sommermonaten die Insel Pulau Tioman besucht hatten. In den reise-/tropenmedizinischen Netzwerken (GeoSentinel und TropNet) wurde in den letzten Jahren immer wieder über ähnliche Erkrankungen berichtet. Weltweit wurden bis zum Jahr 2012 bereits etwa 100 Fälle gemeldet.

Eine exakte Diagnose ist durch eine Muskelbiopsie möglich. Dort finden die Mediziner dann unter Umständen die dünn-bewandeten und mit Parasiten prall gefüllten Zysten. Eine Diagnose ist aber auch durch den Nachweis Sarcocystis-spezifischer Antikörper mittels ELISA möglich. Die Behandlung erfolgt angelehnt an die Trichinosis mit systemischen Glukokortikoiden und Albendazol. Unter Ivermectin-Gabe wurde ebenfalls eine schnelle Besserung beobachtet. Ob mit diesem Medikament eine Abheilung erreicht wird, ist jedoch unklar.

Das Robert Koch-Institut rät dazu, bei fieberhaften und/oder myositischen Beschwerden nach einer Malaysia-Reise, insbesondere bei Vorliegen einer Eosinophilie, differenzial­diagnostisch an eine muskuläre Sarkozystose zu denken. Der aktuelle Ausbruch unter Tioman-Reisenden sei offenbar noch nicht beendet, heißt es im aktuellen Epidemiologischen Bulletin (2014; 22:189-191). Im Mai 2014 seien zehn neue Verdachtsfälle in Deutschland bekannt geworden.

rme

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