Vermischtes

Mutmaßliche Terrorgruppe wegen Umsturzplänen vor Gericht

  • Mittwoch, 17. Mai 2023
/picture alliance, POOL, Boris Roessler
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Koblenz – Mit einem mehrstufigen Plan sollen mutmaßliche Mitglieder der Gruppe „Vereinte Patrioten“ nach An­sicht der Bundesanwaltschaft bürgerkriegsähnliche Zustände und die Absetzung der Bundesregierung angestrebt haben. Vier Männer und eine Frau stehen deswegen als Angeklagte seit heute vor dem Oberlandesgericht (OLG) Koblenz.

Zentrales Ziel der Gruppe, die Ermittler dem „Reichsbürger“-Milieu zuordnen, sei die Beseitigung der freiheitlich-demokratischen Grundordnung gewesen, sagte Bundesanwalt Nikolaus Forschner heute bei der Verlesung der Anklage. Teil ihres Vorhabens sei unter anderem die Entführung von Bundesgesundheitsminister Karl Lauterbach (SPD) gewesen.

Bei den Angeklagten handelt es sich um vier Männer im Alter von 44 bis 56 Jahren und eine 75-jährige Frau. Sie sollen Gründer oder Mitglieder einer inländischen terroristischen Vereinigung gewesen sein und ein hochverräte­risches Unternehmen gegen den Bund vorbereitet haben. Ihr Plan bestand laut Anklage aus drei Elementen.

Ein „Silent Night“ genannter Teil des Vorhabens soll laut Bundesanwaltschaft aus Anschlägen mit Sprengstoff auf die Strominfrastruktur in Deutschland bestanden haben. Ziel sei ein deutschlandweiter Stromausfall gewesen. Der Gruppe sei bewusst gewesen, dass ein solcher Blackout zu erheblichen Schäden und zu Toten führen könnte, hieß es in der Anklageschrift.

Mit einer „Klabautermann“ genannten Aktion soll die Entführung Lauterbachs vor laufenden Kameras aus einer Talkshow heraus vorgesehen gewesen sein – nach dem „Ausschalten“ seiner Personenschützer. Ziel sei gewesen, mit der Entführung eines nach Auffassung der Gruppe derart gehassten Politikers wie Lauterbach in der Bevölke­rung Zustimmung für die Einsetzung einer neuen Regierung zu bekommen.

In einer „False-Flag“-Aktion sei darüber hinaus geplant gewesen, dass ein Schauspieler den Bundespräsidenten Frank-Walter Steinmeier oder Bundeskanzler Olaf Scholz imitiert und die Absetzung der Bundesregierung sowie die Wiederherstellung der Handlungsfähigkeit des Deutschen Reiches von 1871 verkündet.

In einem Schreiben an den russischen Präsidenten Wladimir Putin wollte die Gruppe laut Anklage um Unterstüt­zung werben, auch ein Schreiben an den polnischen Präsidenten Andrzej Duda soll vorgesehen gewesen sein – mit dem Verweis, dass keine Revision der deutschen Ostgrenze beabsichtigt sei. Solche Schreiben soll die angeklagte Frau bereits verfasst haben, der Brief an Putin soll auch auf einem nicht mehr ermittelbaren Weg versandt worden sein.

Die Gruppe soll sich laut Anklage in einen administrativen und einen militärischen Arm aufgeteilt haben. Die Frau soll demnach eine übergeordnete Rolle einer politischen Vordenkerin eingenommen haben. Der 55-jährige Ange­klagte Sven B. aus Neuruppin soll eine Führungsrolle im militärischen Arm für sich beansprucht haben.

Die vier Männer waren im April 2022 festgenommen worden, einer bei einer im rheinland-pfälzischen Neustadt / Weinstraße geplanten Übergabe von bei einem verdeckten Ermittler gekauften Waffen. Die Festnahme der früher als Lehrerin in Mainz tätigen Frau erfolgte im Oktober vergangenen Jahres. Bei bundesweiten Durchsuchungen waren Schusswaffen und Munition, Bargeld, Goldbarren, Silbermünzen und Devisen sichergestellt worden.

In dem Verfahren wird es in den kommenden Monaten auch darum gehen, wie weit die Pläne fortgeschritten wa­ren und wer eine führende Rolle in der Gruppe hatte. Der Anwalt B.s, Philip Grassl, sagte nach dem Auftakt, sein Mandant habe die Vorwürfe teilweise bereits eingeräumt. Er bestreite aber, die Absicht gehabt zu haben, je­manden zu töten.

Ziel sei ein unblutiger Umsturz wie 1989 in Ostdeutschland gewesen. B. war nach Ansicht der Bundesan­walt­schaft einer der, aber nicht der einzige, Rädelsführer der Gruppe. Anwalt Grassl äußerte den Vorwurf, dass der verdeckte Ermittler seinerzeit zu weit gegangen sei. Es gebe Hinweise, dass er aktiv in das Geschehen eingegriffen habe.

„Verfahren und Vorgeschichte haben mein Vertrauen in unseren Rechtsstaat gestärkt“, sagte der von der Gruppe laut Anklage ins Visier genommene Lauterbach zum Prozessbeginn dem Redaktionsnetzwerk Deutschland. Dafür bin ich den Beamten, die an der Verhaftung beteiligt waren, und meinen Personenschützern, die auf mich aufpas­sen, sehr dankbar. Sie riskieren ihr Leben für uns.“ Dem Spiegel sagte er: „Ich wünsche mir harte, gerechte Urteile.“ Nur harte Urteile könnten Nachahmer abschrecken.

dpa

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