Ärzteschaft

„Nachhaltige Investitionen werden langfristig höhere Renditen bringen“

  • Donnerstag, 10. Februar 2022

Berlin – Die Berliner Ärzteversorgung (BÄV) richtet ihre Investitionsentscheidungen schon lange an den sogenannten ESG-Kriterien aus, bei denen es um die Themen Umwelt, Soziales und nachhaltige Unter­nehmensführung geht. Nun lässt die BÄV als eine der ersten Versorgungswerke ihre Kapitalanlagen auf Nachhaltigkeit überprüfen.

Der Vorsitzende des BÄV-Verwaltungsausschusses, Matthias Albrecht, erklärte dem Deutschen Ärzteblatt (DÄ), wie das funktioniert und warum das Geld der Berliner Ärzteschaft in nachhal­ti­gen Kapitalanlagen gut angelegt ist.

Matthias Albrecht /JSD, Frederic Schweizer
Matthias Albrecht /JSD, Frederic Schweizer

5 Fragen an Matthias Albrecht, Berliner Ärzteversorgung

DÄ: Die Delegierten des 122. Deutschen Ärztetags haben die Lan­desärztekammern und die ärztlichen Versorgungswerke gebeten, Investitionen unter Berücksichtigung der ESG-Kriterien vorzuneh­men. Inwiefern ist es ärztlichen Versorgungswerken grundsätzlich möglich, diese Forderung umsetzen?
Matthias Albrecht: Der Begriff ESG-Kriterien wurde erstmals im Jahr 2005 auf einer von den Vereinten Nationen einberufenen Kon­ferenz geprägt. Seither richten sich immer mehr Investoren bei der Auswahl ihrer Kapitalanlagen an nachhaltigen Kriterien aus.

Dabei investieren sie in erster Linie im Rahmen des Deinvest­ments nicht mehr in Unternehmen, die zum Beispiel Erdöl oder Kohle fördern.

Stattdessen legen sie ihr Geld im Rahmen des Impact Investments in Kapitalanlagen an, die den Strukturwandel hin zu einem nach­hal­tigeren Leben befördern. Jedes Investment­unter­nehmen hat die Möglichkeit, diese Entscheidungen zu tref­fen, zum Beispiel auch die ärztlichen Versorgungswerke in Deutschland.

DÄ: Was tut die Berliner Ärzteversorgung, um dem Wunsch der Ärztinnen und Ärzte nachzukommen, ihr von den Versorgungswerken verwaltetes Geld nachhaltig einzusetzen?
Albrecht: Wichtig ist es zunächst, die Orientierung an den ESG-Kriterien firmenintern zu definieren. Die Berliner Ärzteversorgung hat deshalb 2015 ihre erste Nachhaltigkeitsrichtlinie aufgesetzt. 2016 haben wir eine umsatzbasierte Ausschlussliste für Aktien und Anleihen in Bezug auf Kohle-, Öl- und Gasförde­rung eingeführt.

Durch ein sogenanntes Engagement Investing können Investoren auch aktiven Einfluss auf die Politik der Firmen nehmen, in die sie investieren. Darauf haben wir uns ab dem Jahr 2017 fokussiert.

Ab 2018 haben wir sukzessive ESG-Kriterien in unseren Investmentprozess eingebunden. Und 2020 haben wir eine State-of-the-Art-Nachhaltigkeitsrichtlinie über alle unsere Assetklassen entwickelt.

Zudem haben wir 2020 die „Principles for Responsible Investment“, kurz PRI, unterzeichnet, die ebenfalls im Jahr 2005 von den Vereinten Nationen auf den Weg gebracht wurden. Die PRI enthalten sechs Grund­sätze, denen wir uns verpflichtet haben, zum Beispiel die Verpflichtung, die ESG-Kriterien in unsere Ana­lyse- und Entscheidungsprozesse im Investmentbereich einzubeziehen, oder die Verpflichtung, Unter­neh­men und Körperschaften, in die wir investieren, zu einer angemessenen Offenlegung in Bezug auf ESG-Themen anzuhalten.

DÄ: Ärztliche Versorgungswerke haben eine große Verantwortung, wenn sie die Altersvorsorge der Ärzte verwaltet. Ist es denn möglich, mit nachhaltigen Geldanlagen ebenso viel Rendite zu erzielen wie mit konventionellen Geldanlagen?
Albrecht: Wirtschaftlich und wissenschaftlich betrachtet kann man sich der Transformation am Kapital­markt nicht mehr entziehen. Heute müssen die Weichen für die Zukunft gestellt werden, um am Ende des Tages nicht auf sogenannten gestrandeten Assets sitzenzubleiben, also auf Kapitalanlagen, die ihren Wert verloren haben. Wir tun dafür einiges – auch an Pionierarbeit.

Das Spannungsverhältnis aus Rendite, Risiko und Nachhaltigkeit ist uns bewusst und wird in den Risiko­systemen jederzeit berücksichtigt. Die Erreichung des Rechnungszinses haben wir natürlich im Blick und in den letzten Jahren ist es auch gelungen, unsere Ziele zu erreichen. Ich persönlich glaube, dass nach­hal­­tige Investitionen bei einer langfristigen Betrachtung die Nase vorn haben und höhere Renditen bringen werden.

DÄ: Die Berliner Ärzteversorgung lässt ihre Kapitalanlagen zurzeit nach dem XDC-Modell analysieren. Wie funktioniert das?
Albrecht: Das X-Degree-Compatibility-Modell, kurz XDC, ist ein ökonomisches Climate-Impact-Modell. Es berechnet den Grad globaler Erwärmung, mit dem eine wirtschaftliche Einheit, beispielsweise ein Unter­nehmen, unter bestimmten Szenarien kompatibel ist, und beantwortet die Frage: Wie sehr würde sich die Erdatmosphäre erwärmen, wenn die gesamte Welt über einen festgelegten Zeitraum ebenso emissions­intensiv wirtschaften würde wie die analysierte Einheit. Die Ergebnisse werden in einer greifbaren Grad-Celsius-Zahl ausgedrückt: dem XDC.

Zur Wirkungsweise würde ich gerne auch Hannah Helmke zitieren, die Geschäftsführerin des Unterneh­mens „right. based on science“, das unsere Kapitalanlagen derzeit mithilfe des XDC-Modells analysiert:

„Mit dem X-Degree-Compatibility-Modell berechnen wir, wie stark die Kapitalanlagen der Berliner Ärzte­versorgung zum Klimawandel beitragen. Und zwar ganz konkret: in Grad Celsius. Damit wird sofort er­sicht­lich, ob die Investitionen der Berliner Ärzteversorgung zur Erreichung des 1,5-Grad-Klimaziels des Pariser Klimaschutzabkommens beitragen und wie das Portfolio darauf ausgerichtet werden kann. Das spielt nicht nur für den Planeten eine entscheidende Rolle, sondern langfristig auch für die Rendite – denn klimaschädliche Unternehmen werden in Zukunft einen schweren Stand haben.“

DÄ: Wann erwarten Sie Ergebnisse der Analyse und wie werden Sie die Ergebnisse in die Arbeit der Berliner Ärzteversorgung einbringen?
Albrecht: Die Daten, die wir durch die Analyse erhalten, sind vertraulich. Ich kann Ihnen aber garantieren, dass wir sie nutzen werden, um unser Portfolio konsequent am Erreichen des 1,5-Grad-Ziels auszurich­ten.

fos

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