Medizin

Neandertaler-Gen macht anfällig für schwere COVID-19-Verläufe, schützt aber vor HIV

  • Mittwoch, 23. Februar 2022
/dpa
/dpa

Leipzig/Stockholm – Eine genetische Risikovariante für einen schweren COVID-19-Verlauf, die ursprüng­lich von den Neandertalern stammt, reduziert offenbar das Risiko, sich mit HIV zu infizieren, um 27 Pro­zent. Dies geht aus einem Bericht in den Proceedings of the National Academy of Sciences of the United States of America hervor (DOI: 10.1073/pnas.2116435119).

Neben Risikofaktoren wie einem höheren Alter, Übergewicht und chronischen Krankheiten kann auch die genetische Ausstattung das individuelle Risiko für eine schwere COVID-19-Erkrankung erhöhen oder ver­ringern.

Bereits im Herbst 2020 hatten Wissenschaftler vom Max-Planck-Institut für Evolutionäre Anthropologie in Leipzig und vom Karolinska Institutet in Stockholm gezeigt, dass der Mensch einen bedeutenden ge­netischen Risikofaktor für schwere COVID-19-Erkrankungen von Neandertalern geerbt hat.

Als Svante Pääbo und Hugo Zeberg weitere Untersuchungen an prähistorischer menschlicher DNA durch­führten, zeigte sich, dass diese Genvariante seit der letzten Eiszeit immer häufiger geworden ist – für eine von Neandertalern geerbte Variante unerwartet häufig. Deshalb schlussfolgerten die Wissenschaft­ler, dass die Genvariante für ihren Träger auch einen Vorteil haben muss.

„Diese genetische Risikovariante für COVID-19 ist so häufig, dass ich angefangen habe, mich zu fragen, ob sie nicht für irgendetwas gut ist, etwa ob sie vor anderen Infektionskrankheiten schützen könnte“, wird Zeberg in einer Mitteilung des vom Max-Planck-Instituts zitiert.

Die genetische Risikovariante befindet sich auf Chromosom 3, in der Nähe mehrerer Gene, die für Rezep­toren des Immunsystems kodieren. Einer dieser Rezeptoren – CCR5 – wird vom HI-Virus genutzt, um Leukozyten zu infizieren.

Zeberg entdeckte, dass Menschen mit dieser COVID-19-Risikovariante weniger von diesen CCR5-Rezep­toren aufwiesen. Und eine Analyse dreier großer Blutbanken in Finnland, dem Vereinigten Königreich und dem US-Bundesstaat Michigan ergab, dass Träger der Genvariante ein um 27 Prozent niedrigeres Risiko für eine HIV-Infektion hatten.

„Das zeigt, wie eine Genvariante sowohl gute als auch schlechte Seiten haben kann: Schlecht, wenn sich der Träger mit SARS-CoV-2 infiziert, gut, wenn er mit HIV konfrontiert wird“, so Zeberg.

Allerdings: HIV kam erst im 20. Jahrhundert auf, der Schutz vor dieser Infektionserkrankung erklärt somit nicht, weshalb sich diese genetische Risikovariante schon vor 10.000 Jahren so stark unter den Men­schen ausgebreitet hat.

„Wir wissen jetzt, dass diese COVID-19-Risikovariante vor einer HIV-Infektion schützen kann. Aber es war wahrscheinlich der Schutz vor noch einer anderen Krankheit, der ihre Häufigkeit nach der letzten Eiszeit so stark hat zunehmen lassen“, erklärte Zeberg.

nec

Diskutieren Sie mit:

Diskutieren Sie mit

Werden Sie Teil der Community des Deutschen Ärzteblattes und tauschen Sie sich mit unseren Autoren und anderen Lesern aus. Unser Kommentarbereich ist ausschließlich Ärztinnen und Ärzten vorbehalten.

Anmelden und Kommentar schreiben
Bitte beachten Sie unsere Richtlinien. Der Kommentarbereich wird von uns moderiert.

Es gibt noch keine Kommentare zu diesem Artikel.

Newsletter-Anmeldung

Informieren Sie sich täglich (montags bis freitags) per E-Mail über das aktuelle Geschehen aus der Gesundheitspolitik und der Medizin. Bestellen Sie den kostenfreien Newsletter des Deutschen Ärzteblattes.

Immer auf dem Laufenden sein, ohne Informationen hinterherzurennen: Newsletter Tagesaktuelle Nachrichten

Zur Anmeldung