Netzwerk-Analyse: Paracetamol bei Arthroseschmerzen kaum wirksam

Bern – Paracetamol, ein wegen der fehlenden kardiovaskulären und gastrointestinalen Risiken häufig bevorzugtes Schmerzmittel, zeigt bei Patienten mit Knie- und Hüftarthrose praktisch keine Wirkung. Zu diesem Ergebnis kommt eine Netzwerk-Meta-Analyse im Lancet (2016; doi: 10.1016/S0140-6736(16)30002-2), die dem nicht-steroidalen Antirheumatikum (NSAR) Diclofenac ab einer bestimmten Dosis die zuverlässigste Wirkung bescheinigt.
In der Behandlung von Schmerzen im Bewegungsapparat sind Paracetamol und NSAR die Mittel der ersten Wahl. Viele Ärzte bevorzugen Paracetamol, da das Mittel weder Magendarmblutungen auslöst noch das Risiko von Herz-Kreislauf-Erkrankungen erhöht und deshalb bedenkenlos langfristig eingenommen werden kann (solange die lebertoxische Dosis nicht überschritten wird).
Dies bedeutet allerdings nicht, dass Paracetamol, das ursprünglich als fiebersenkendes Mittel eingeführt wurde, bei Schmerzen im Bewegungsapparat eine gute Wirkung erzielt. In den letzten Jahren wurde zunehmend infrage gestellt, dass Paracetamol bei diesen Erkrankungen überhaupt eine schmerzstillende Wirkung hat. Vor anderthalb Jahren konnte Paracetamol in einer randomisierten klinischen Studie bei Patienten mit akuter Lumbalgie nicht überzeugen (Lancet 2014; 384: 1586-1596), und eine Meta-Analyse stellte im letzten Jahr auch die Wirksamkeit bei Cox- und Gonarthrose infrage (BMJ 2015; 350: h1225).
Die bisher größte Zusammenschau verschiedener Studien, die mit einer modernen Methode der Netzwerk-Analyse die Wirksamkeit unterschiedlicher Wirkstoffe verglich, kommt jetzt zu einem ähnlichen Ergebnis. Ein Team um Sven Trelle von der Universität Bern hat die Daten aus 74 Studien mit 58.556 Patienten ausgewertet, die nicht weniger als 22 medikamentöse Therapien und eine Placebobehandlung in Bezug auf Schmerzreduktion und Verbesserung der Bewegungseinschränkung ausgewertet hat. Diese 22 Therapien beinhalteten unterschiedliche Dosierungen von Paracetamol und von sieben verschiedenen NSAR.
Paracetamol schnitt in den meisten Vergleichen am schlechtesten ab. Trelle schätzt die Effektstärke in der Schmerzbehandlung auf 0,17, was auf einer 100 mm visuellen Analogskala einer Verbesserung um 4 mm entspricht, die klinisch kaum auffallen dürfte. Die beste Wirkung zeigte Diclofenac in der Dosis von 150 mg/die mit einer Effektstärke von 0,57, was auf der 100 mm visuellen Analogskala einer Verbesserung um 14 mm entspricht. Als Grenzwert für eine klinisch relevante Wirkung wird eine Effektstärke von 0,37 betrachtet.
Diclofenac in der Dosis von 150 mg/die erzielt laut der Untersuchung bei 100 Prozent der Patienten eine Wirkung. Rofecoxib (25 mg/die) und Etoricoxib (60 mg/die) erzielten laut der Studie ebenfalls eine sehr gute Wirksamkeit. Die Wahrscheinlichkeit, dass eine minimale klinisch relevante Wirkung erreicht wird, lag mit 98 und 95 Prozent etwas niedriger als bei Diclofenac.
Eine zuverlässige Wirkung von Diclofenac wurde allerdings erst in einer Dosis von 150 mg/die beobachtet. In der Dosis von 100mg/die profitierten nur 40 Prozent und bei einer Dosis von 70mg/die 23 Prozent der Patienten. Paracetamol war dagegen selbst bei einer Dosis von 3.000 mg/die (die nahe der für die Leber bedenklichen Dosis von 4000 mg/die liegt) nur bei 21 Prozent der Patienten wirksam. Bei einer Dosis unter 2000 mg/die waren es nur 4 Prozent.
Der Editorialist Nicholas Moore von der Universität Bordeaux führt die deutlichen Unterschiede bei den NSAR auf die Affinität zur Cyclooxygenase-2 (COX-2) zurück, dem für das Entzündungsgeschehen zentralen Enzym. Leider erhöhen die COX 2-Inhibitoren und auch Diclofenac das Risiko von Herz-Kreislauf-Erkrankungen, was bei den zumeist älteren und komorbiden Arthrose-Patienten von Bedeutung ist. Die Arzneimittelbehörden raten, die Anwendungsdauer von Diclofenac vor allem in den hohen Dosierungen zu begrenzen.
Dieser Grundsatz sollte laut Trelle auch bei der Behandlung der Arthrose berücksichtigt werden. Da der Arthroseschmerz häufig in Schüben auftritt, sollte das Mittel nach einiger Zeit wieder abgesetzt werden. Gegen eine Dauertherapie spricht auch, dass NSAR das Fortschreiten der Erkrankung nicht aufhalten können. Anders als bei der rheumatoiden Arthritis gibt es bei Arthrose derzeit keine Basismedikamente, die eine weitere Gelenkzerstörung verhindern könnten.
Zu den Einschränkungen der Netzwerk-Meta-Analyse gehört, dass sie keine älteren Medikamente (etwa Metamizol) berücksichtigt, deren Wirksamkeit gegen Arthroseschmerzen niemals in randomisierten klinischen Studien untersucht wurden. Zum anderen war die Dauer der Studien auf wenige Monate beschränkt. Angesichts der großen Bedeutung der Arthroseschmerzen, an denen etwa jeder fünfte Erwachsene im Alter über 60 Jahre leidet, sind Langzeitstudien längst überfällig.
Eine sinnvolle Studie wäre laut Trelle ein doppelblinder Vergleich von Diclofenac 150 mg/die, und Etoricoxib 60 mg/die, entweder nach einem festen Schema oder als Bedarfstherpie über einen Zeitraum von mindestens 12 Monaten.
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