Medizin

Neuartiger Bluttest auf Alzheimer und mehr

  • Freitag, 7. Januar 2011

Jupiter – Ein US-Chemiker hat einen neuartigen Labortest entwickelt, der die Diagnostik vieler Krankheiten verändern könnte. Mit Peptoiden „fischt“ der Forscher nach unbekannten krankheitsspezifischen Antikörpern. Ein erstes Anwendungsgebiet könnte seiner Publikation in Cell (2011; 144, 132-142) zufolge die Diagnose des Morbus Alzheimer sein.

Nicht nur bei Autoimmunerkrankungen bildet das Immunsystem Antikörper gegen körpereigene Proteine, sondern auch bei einer Vielzahl anderer Erkrankungen. Dies ist immer dann der Fall, wenn im Rahmen der Erkrankung körpereigene Moleküle so verändert werden, dass sie vom Immunsystem als fremd erkannt werden, was die Bildung von Antikörpern stimuliert.

Zur Autoimmunerkrankung kommt es nur, wenn die Antikörper den Körper angreifen. Dies ist bei vielen anderen Erkrankungen nicht der Fall. Zu ihnen gehört der Morbus Alzheimer. Auch hier könnten die Plaques oder andere Ablagerungen im Gehirn die Bildung von Antikörpern stimulieren, wie Thomas Kodadek vom Scripps Research Institute in Jupiter, Florida, richtig vermutet hat.

Anhand dieser Antikörper im Blut könnte die Krankheit diagnostiziert werden. Da derartige Antikörper nicht bekannt sind, entschloss sich Kodadek zu einer systematischen Suche. Dazu verwendete er eine ganze Batterie von Peptinoiden.
 

Das sind synthetische Moleküle mit peptidartigen Eigenschaften. Mit ihnen suchte der Forscher im Blut nach krankheitsspezifischen Antikörpern, wobei er einfach das Blut von Erkrankten und Gesunden vergleicht.

Seine ersten Versuche führte Kodadek bei Mäusen mit einer autoimmunen Enzephalitis durch. Das ist ein einfaches Tiermodell der multiplen Sklerose, also einer Autoimmunerkrankung. Bereits nach wenigen tausend Peptoiden wurde Kodadek fündig. Er konnte einen Test mit wenigen Peptoiden entwickeln, mit denen die autoimmune Enzephalitis diagnostiziert werden kann.

Der nächste Kandidat war der Morbus Alzheimer. Dazu verglich der Forscher das Blut von sechs Patienten, die vermutlich an einem Morbus Alzheimer erkrankt waren, mit dem Blut von sechs Gesunden und Patienten mit Morbus Parkinson, einer anderen degenerativen Erkrankung.

Dieses Mal fand Kodadek drei Peptinoide, die bei den Alzheimerpatienten anschlugen. Sie wurden dann an 16 weiteren Patienten getestet. Jedes der drei Peptinoide erkannte 15 von 16 Erkrankungen, was eine Treffsicherheit von 93 Prozent bedeutet.

Nature berichtet, Kodadek habe bereits 300 weitere Patienten getestet. Die Sensitivität soll fast 98 Prozent betragen haben. Falschpositive Tests bei Gesunden sollen nur bei 5 Prozent aufgetreten sein, was eine Spezifität von 95 Prozent bedeuten würde. Damit wäre der neue Test allen bisherigen diagnostischen Verfahren überlegen, die auf dem Nachweis von Plaques-Bestandteilen im Liquor beruhen.

Die Erfindung von Kodadek könnte auf eine Vielzahl anderer Erkrankungen übertragen werden. Der Forscher hat bereits eine Firma gefunden, die das Verfahren weiterentwickeln will. Diese träumt in der Pressemitteilung (an potenziellen Investoren gerichtet) bereits von Tests zu einer Bandbreite von Erkrankungen vom Morbus Parkinson bis zur Krebsfrüherkennung.

Sicherlich bleibt abzuwarten, was am Ende einer klinischen Entwicklung von der neuen Methode übrig bleibt. Internisten wissen, dass auch bei bekannten Antikörpern die Diagnose von Autoimmunerkrankungen sehr verzwickt sein kann.

rme

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