Medizin

Neues Virus in alten Blutproben entdeckt

  • Mittwoch, 23. September 2015

New York – US-Forscher haben in alten Blutproben die Gene eines bislang unbekannten Virus entdeckt, das durch Bluttransfusionen übertragen wird, nach dem Bericht in mBio (2015; 6: e01466-15) jedoch keine Krankheit auszulösen scheint.

Seit der Entwicklung von Maschinen zur „tiefen Sequenzierung“ sind gute Zeiten für „Virusjäger“ angebrochen. Fast jedes Jahr wird im menschlichen Körper DNA oder RNA mit für Viren typischen Sequenzen entdeckt. Vor einigen Jahren wurde sogar eine ganz neue Familie von Viren, die Anelloviridae, beschrieben. Für einige Virologen sind es die häufigsten humanen Viren überhaupt, für Ärzte ist dies unerheblich, da sie keine Krankheiten auslösen.

Die jetzt von Amit Kapoor von der Columbia University in New York und Mitarbeitern entdeckten neuen Viren sind eine Besonderheit, da sie nicht zu den Anelloviridae gehören. Das Hepegivirus 1, kurz HHpgV-1 getaufte Virus, ist jedoch mit dem Hepatitis C-Virus verwandt, das weltweit 200 Millionen Menschen infiziert hat und eine wesent­liche Ursache für Leberzirrhosen und Leberkrebs ist. Eine weitere Verwandtschaft besteht mit dem humanen Pegivirus HPgV, das früher Hepatitis G-Virus genannt wurde, weil es fälschlicherweise mit einer Erkrankung in Verbindung gebracht wurde. Heute gilt HPgV als harmlos.

Das trifft nach dem derzeitigen Kenntnisstand auch auf HHpgV-1 zu, das die Forscher in Blutproben aus den Jahren 1974 und 1980 gefunden haben. Die Patienten hatten damals an der Transfusion-Transmitted Viruses Study teilgenommen. Sie ging den Ursachen der Non-A-Non-B-Hepatitis nach, die erst 1989 als Folge einer Hepatitis C erkannt wurde. Den Patienten war damals vor und nach einer geplanten Bluttransfusion Blut entnommen wurden. Ein Vergleich der „Virome" in beiden Blutproben führte jetzt bei 2 von 46 Patienten zur Entdeckung des neuen Virus. Genau genommen wurden nur die Virusgene entdeckt, nicht aber die Viruspartikel im Blut.

Im nächsten Schritt untersuchten die Forscher Teilnehmer der Multicenter Hemophilia Cohort Study, eine von Hämophilie-Patienten, die regelmäßig Gerinnungsfaktoren aus Blutprodukten erhalten hatten. Zwei von 106 Patienten waren mit dem neuen Virus infiziert. Da von den Teilnehmern in kurzen Abständen Blutproben entnommen und archiviert worden waren, konnte Kapoor den Verlauf der Infektion beobachten. Bei beiden Patienten waren die Viren nach 201 beziehungsweise 1.981 Tagen wieder verschwunden. 

Die Forscher gehen davon aus, dass das neue Virus keinen Krankheitswert hat. Genau lässt sich das nach dem Nachweis bei vier Personen noch nicht sagen. Als nächstes wollen die Forscher einen serologischen Nachweistest entwickeln, was nicht so einfach sein dürfte, da die Struktur des Virus und seine Antigene nicht bekannt sind. Dieser Test würde die Untersuchung größerer Patientenkohorten ermöglichen.

Die Entdeckung eines durch Blut übertragbaren Virus könnte für die Transfusions­medizin von Bedeutung sein. Das Risiko einer Ausbreitung ist jedoch gering, da Blutprodukte heute gefiltert und einer Virusinaktivierung unterzogen werden. Dies sollte auch die Übertragung noch nicht bekannter Erreger vermindern.

rme

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