Neun Proteine im Blut sagen Herz-Kreislauf-Risiko voraus

San Francisco – Der Nachweis von neun Proteinen, die den meisten Ärzten vermutlich völlig unbekannt sind, hat in einer prospektiven Kohortenstudie kardiovaskuläre Ereignisse bei Patienten mit stabiler koronarer Herzkrankheit besser vorhergesagt als der modifizierte Framingham-Score. Der im US-amerikanischen Ärzteblatt (JAMA 2016; 315: 2532-2541) vorgestellte Test dürfte dennoch vorerst nicht in die klinische Medizin eingeführt werden.
Moderne Testverfahren können Abertausende von Genen oder Proteine gleichzeitig im Blut nachweisen. Bei Herz-Kreislauf-Erkrankungen werden einige Gene aktiviert und Proteine ans Blut abgegeben. Ihr Nachweis in Genomik und Proteomik könnte deshalb genutzt werden, um das kardiovaskuläre Risiko besser vorherzusagen als der Framingham-Score, der auf relativ allgemeinen Angaben (Alter, Geschlecht, Raucherstatus) und wenigen Tests (Gesamt-, und HDL-Cholesterin, Blutdruck) beruht. Die Genomik könnte in Zukunft das lebenslange genetische Risiko vorhersagen, während die Proteomik Aussage in einer bestimmten Lebensphase erlauben sollte.
Ein Team um Peter Ganz von der Universität von Kalifornien in San Francisco hat jetzt einen Proteomik-Test für die Vorhersage von Herz-Kreislauf-Erkrankungen mit dem modifizierten Framingham-Score verglichen. In einer ersten „Derivationskohorte“ wurde die Konzentration von 1.130 Proteinen im Blut von 938 Teilnehmern der amerikanischen „Heart and Soul“-Studie bestimmt und mit späteren Herz-Kreislauf-Ereignissen in Beziehung gesetzt. Der Nachweis der Proteine wurde mit sogenannten Aptameren durchgeführt, kleinen Oligonukleotiden oder Peptiden, die in ähnlicher Weise wie Antikörper sehr spezifisch an bestimmte Proteine im Blut binden.
Es stellte sich heraus, dass eine Gruppe von neun Proteinen eine recht gute Vorhersage späterer kardiovaskulärer Ereignisse erlaubt. Diese Proteine waren Angiopoietin-2, Matrix-Metalloproteinase-12, der Chemokin (C-C Motif)-Ligand 18, Complement 7, der alpha 1-Antichymotrypsin-Komplex, Angiopoietin-related-Protein 4, Troponin I, der Growth differentiation factor 11/8) und Alpha2-Antiplasmin. Bis auf Troponin I, das in der Herzinfarkt-Diagnostik eingesetzt wird, dürften die Proteine den meisten Kardiologen nicht vertraut sein und ihre pathogenetische Rolle für die Atherosklerose dürfte erst ansatzmäßig verstanden werden.
Dies spielt aber bei der Proteomik keine Rolle. Sie setzt allein auf die Assoziation mit späteren Ereignissen. Dabei müssen die Ergebnisse der Derivationskohorte in einer Validierungskohorte überprüft werden (um statistische Zufallsereignisse auszuschließen). Diese Prüfung führte das Team um Ganz in der sogenannten HUNT3-Studie durch, einer bevölkerungsbasierten Kohorte aus Norwegen, die Patienten mit bestehender koronarer Herzkrankheit über einen Zeitraum von 4 Jahren beobachtet hat.
Der 9-Protein-Score erzielte dabei passable Ergebnisse. Als Einzeltest war er dem modifizierten Framingham-Score sogar überlegen. Ein Qualitätsmerkmal ist hier ein hoher Wert in der sogenannten C-Statistik, die Sensitivität und Spezifität berücksichtigt und einen C-Wert von 0,5 bis 1 annehmen kann. Ein C-Wert von 0,5 entspricht dem reinen Zufall, ein C-Wert von 1 wäre eine 100-prozentige Treffsicherheit. Der 9-Protein-Score erreichte in der Validierungskohorte einen C-Wert von 0,70, während der modifizierte Framingham-Score nur 0,64 schaffte. Dies zeigt einen gewissen Vorteil des 9-Protein-Scores an.
Dies allein dürfte aber nicht ausreichen, um den Framingham-Score zu ersetzen. Zum einen kann der Framingham-Score ohne großen Aufwand erhoben werden, während die Proteomik Zusatzkosten aufwirft, deren Höhe derzeit nicht bekannt ist. Zum anderen dürfte der Framingham-Score den meisten Ärzten vertrauter sein und die Auswirkungen der einzelnen Parameter erscheinen plausibler als statistische Assoziationen unbekannter Proteine.
Eine Chance hätte der 9-Protein-Score, wenn er in Ergänzung zum Framingham-Score die Vorhersage verbessern würde. Dies ist nach den Ergebnissen von Ganz jedoch nicht erkennbar. Der C-Wert stieg nur von 0,70 auf 0,71 an, so dass ein Zusatznutzen nicht erkennbar ist.
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